Die anderen Gipfelteilnehmer in Los Cabos wollen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die Krise endlich mit deutschem Geld löst.

Los Cabos. Als Angela Merkel am Sonntag, kurz vor Mitternacht, ihre Regierungsmaschine bestieg, war ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble schon an Bord. Zwölf Stunden Flugzeit über den Atlantik und das mexikanische Festland standen ihnen da noch bevor, bis nach Los Cabos, das auf einer Halbinsel im Pazifik liegt. Diese erst in den 70er-Jahren aus dem Wüstenboden gestampfte Urlaubslandschaft besteht nicht nur aus spektakulären Stränden, sondern vor allem aus Nobelhotels und Golfplätzen. Ein Ort also, um mal richtig schön richtig viel Geld auszugeben.

Und genau das sollen Merkel und Schäuble tun - wenn es nach den anderen Gipfelteilnehmern geht. G20 heißt diesmal: 19 gegen eine. Gegen Merkel. Keine leichte Aufgabe für die Kanzlerin, und die Anspannung war ihr auf dem Hinflug auch durchaus anzumerken. Kein Wunder. Denn in Los Cabos trifft sich nicht wie alle Nase lang in Brüssel die bettelnde europäische Verwandtschaft, sondern da kommen die wichtigsten Leute der Welt zusammen. Doch ob Chinas Präsident Hu Jintao, der indische Premierminister Manmohan Singh oder US-Präsident Barack Obama - alle wollen, dass Deutschland endlich die Euro-Krise löst.

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Am härtesten ist in dieser Hinsicht Obama unterwegs. Er empfängt alle europäischen Teilnehmer zu einem Extragespräch. Worum es dabei geht, dürfte klar sein: Euro-Bonds, die gemeinsame Haftung für Schulden, wären aus amerikanischer Sicht die beste, weil schnellste und unkomplizierteste Lösung. Wenn es die jedoch nicht gibt, sollen wenigsten Wachstumsprogramme den schwächelnden Konjunkturen aufhelfen, die in Spanien und Italien die Reformregierungen in Schwierigkeiten bringen und sogar in den USA nach Meinung von Kommentatoren Obamas Wiederwahl im kommenden November gefährden. Merkels Leute kämpfen bis zur letzten Minute darum, eine Niederlage ihrer Kanzlerin abzuwenden.

Vor einem Monat, beim G8-Treffen in Camp David, hatten sie es ja auch noch geschafft: "Wir brauchen kein Wachstum auf Pump", hatte Obama dort in Richtung Merkel konzediert, worauf ihre Berater noch heute stolz sind. Für Los Cabos haben sie sich zwei Strategien zurechtgelegt: Einmal wollen sie wieder vermeiden, dass sich die Staats- und Regierungschefs auf einen kurzfristigen, schlimmstenfalls kreditfinanzierten Impuls für die Konjunktur festlegen. Stattdessen werden in dem "Los Cabos Action Plan", der heute verabschiedet werden soll, vor allem mittelfristig wirkende Strukturmaßnahmen als Wachstumsförderung verkauft. Die Leiterin von Merkels Team zur Gipfelvorbereitung, Helen Winter, hat dort sogar Projekte wie die deutsche Energiewende oder die noch im Bundesrat blockierte Milderung der kalten Progression hineinschreiben lassen. Alles besser als neue Kredite, so die Devise.

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Die zweite deutsche Strategie: Merkel soll versuchen, Europa aus dem Fokus des Interesses zu rücken. Dazu könnten dezente Hinweise helfen, dass woanders auch nicht alles zum Besten steht: Manipulieren die Chinesen nicht nach wie vor ihre Wechselkurse? Wächst der Protektionismus nicht weltweit? Sind die USA nicht in wichtigen Fragen durch innenpolitischen Streit blockiert? "Jeder hier bei G20 hat seine Hausaufgaben noch zu machen", sagte Merkel in Los Cabos gleich zu Anfang.

Trotzdem macht sich die Kanzlerin keine Illusionen, dass sie auf diesem Gipfel nicht wie so oft die gefeierte internationale Verhandlerin sein wird, sondern eine Art Buhfrau abgeben wird. Das scheint Merkel freilich nicht zu stören: Entschlossen wirkt die Kanzlerin in diesen Tagen, beinahe finster entschlossen.

Auch die für Europa schwierigen Entwicklungen der vergangenen Tage - so sinken trotz Bankenrettung und Reformen die Zinsen weder für Spanien noch für Italien - bestätige Merkel in ihrer seit Langem gehegten Analyse: Im Kern sei die Euro-Krise nicht nur eine Schuldenkrise, sondern eine Krise der Wettbewerbsfähigkeit einiger Staaten. Diese zu verbessern ist das Ziel der Reformen, die Merkel dem Kontinent verschreibt. Die gemeinsame Haftung für Schulden - zuletzt mit der neuen Idee kurzfristiger Gemeinschaftsanleihen - lehnt sie nach wie vor ab. Mit Sorge betrachtet die Kanzlerin allerdings, dass EU-Entscheidungsprozesse von den Finanzmärkten immer weniger verstanden werden. Hochfliegende Pläne, wie sie für eine schnellere Integration in Brüssel ausgearbeitet wurden, scheint sie skeptisch zu sehen.

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Für leichtes Aufatmen sorgte zunächst das Wahlergebnis in Griechenland. Zur Euphorie besteht jedoch auch nach dem vermeintlich proeuropäischen Ergebnis kein Anlass. Merkel hat vor ihrem Abflug mit dem konservativen Wahlsieger Antonis Samaras telefoniert und sich anschließend in einer Telefonkonferenz mit den teilweise schon im Anflug auf Los Cabos befindlichen G20-Chefs abgesprochen. Griechenland, glaubt man nicht nur in Berlin, stehen wesentliche Prüfungen noch bevor. "Die griechische Regierung wird und muss die eingegangenen Verpflichtungen umsetzten", sagte Merkel. Samaras gilt international freilich als unsicherer Kantonist.

Wie weit man ihm nun entgegenkommt, ist zumindest in der Bundesregierung weniger umstritten als es scheint. Zwar spricht Merkel anders als ihr Außenminister Guido Westerwelle (FDP) noch nicht offen aus, dass Griechenland mehr Zeit bekommen soll, um einen Überschuss im Primärhaushalt, also ohne Zinsen, zu erreichen. Aber darauf läuft es hinaus. Um Reformen aber kommen die Hellenen nicht herum.