Die Afghanen blicken laut einer Umfrage wieder optimistisch in die Zukunft. Vom Bundeswehreinsatz sind sie dagegen weniger begeistert.

Der umstrittene Luftangriff auf zwei Tanklastzüge im September 2009 hat am Image der Deutschen gekratzt: Die Bundeswehr hat in Afghanistan deutlich an Ansehen verloren. Das ergab eine Umfrage unter der afghanischen Bevölkerung im Auftrag des WDR zusammen mit dem US-Sender ABC und der britischen BBC. Ihr zufolge ist die Stimmung unter den Einheimischen zwar insgesamt optimistischer geworden. Im Norden des Landes, wo die Einsatzgebiete der Bundeswehr liegen, bewerten jedoch weniger Afghanen als noch vor einem Jahr die Sicherheitslage positiv.

Während sich die Einstellung der Bevölkerung zu den USA leicht verbessert hat, zeige die Umfrage einen spürbaren Ansehensverlust für Deutschland. In der Vergangenheit hätten die Deutschen immer herausragend gute Bewertungen bekommen, erklärte der WDR.

In den Provinzen des Nordens und Nordostens ging jedoch die Zahl der Menschen, die ein positives Bild der Deutschen haben, um 11 Punkte auf 63 Prozent zurück, während die Zahl der Afghanen mit einem negativen Bild sich mehr als verdoppelt hat (plus 17 Punkte auf 31 Prozent). Was das konkrete Handeln angeht, wird die deutsche Rolle nur noch von 31 Prozent der Befragten positiv beurteilt (minus elf), während die übrigen Befragten Deutschlands Rolle neutral (41 Prozent) oder negativ (19 Prozent) bewerten.

„Hier zeigt ganz offensichtlich die innerafghanische Debatte um die vielen zivilen Opfer bei dem Luftangriff auf die beiden Tanklastzüge in Kundus Wirkung“, erklärte Arnd Henze, der als stellvertretender Auslandschef des WDR die Umfrage betreute. „Deutschland wird zunehmend als ganz normaler Teil der Kriegsrealität wahrgenommen.“ So geben 40 Prozent der Befragten im Verantwortungsbereich der Bundeswehr an, das Bemühen von NATO und ISAF bei der Vermeidung ziviler Opfer habe sich verschlechtert.

Als „gute Nachricht für die Soldaten von Bundeswehr und NATO“ wurde dagegen bewertet, dass sich die Einstellung der Afghanen zu Anschlägen auf ausländische Truppen komplett verändert“ habe. Hielt vor einem Jahr noch jeder Vierte solche Anschläge für gerechtfertigt, so ist der Wert in der neuen Umfrage auf acht Prozent zurückgegangen – der niedrigste je gemessene Wert.

Die Hoffnung auf stabilere politische Verhältnisse, eine Schwächung der Taliban und spürbare Verbesserungen im alltäglichen Leben bewirkten insgesamt jedoch einen kräftigen Stimmungsumschwung in der afghanischen Bevölkerung. In der Umfrage sahen 70 Prozent der Menschen ihr Land auf dem richtigen Weg – ein Anstieg um 30 Prozent gegenüber der letzten Untersuchung vor einem Jahr.

Ebenso viele Afghanen seien überzeugt, dass es ihnen im nächsten Jahr besser gehen wird. „Der Blick auf die Umfrage mit ihren mehr als 100 Einzelfragen zeigt, dass die Afghanen ganz anderen Entwicklungen Beachtung schenken, als wir in Europa und den USA“, erklärte Henze. So habe zwar eine große Mehrheit der Befragten erkannt, dass es bei den Wahlen (56 Prozent) und bei der Auszählung (59 Prozent) Unregelmäßigkeiten gab. Gleichwohl seien drei von vier Afghanen mit dem Wahlausgang zufrieden. Sie seien vor allem froh, dass der von Gewalt und Einschüchterungen begleitete Wahlprozess zu einem Abschluss gefunden hat.

Immerhin halten 95 Prozent der Afghanen Korruption für ein drängendes Problem. Der afghanische Präsident Hamid Karsai geht der Umfrage zufolge mit einem breiten Vertrauensvorschuss in seine zweite Amtszeit. Drei von vier Afghanen sagen, er leiste gute Arbeit und trauen ihm zu, Sicherheit und Stabilität im Lande zu verbessern.