Kristina Köhler sprach die Formel „So wahr mir Gott helfe“. Im Bundeskabinett ist die Spannung groß, wie sie sich dort machen wird.

Berlin. Eine kleine Unsicherheit leistet sich Kristina Köhler. Die 32-Jährige ist am Mittwoch kurz davor, im Bundestag den vom Grundgesetz vorgeschriebenen Eid zu leisten – „so wahr mir Gott helfe“ – und damit ihr neues Amt als Bundesfamilienministerin offiziell zu übernehmen. Da fragt sie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) noch kurz im Flüsterton: „Sie lesen vor?“ Doch sie muss den Eid selbst ablesen, was dann auch geschieht. Konsequent hat Köhler ihre Karriere in kurzer Zeit bis ins Kabinett vorangetrieben. Die Spannung ist groß, wie sie sich dort macht.

Ihr bisheriger Lebensweg gibt Anlass für reichlich unterschiedliche Erwartungen. Als Islam-Expertin weckte sie im Bundestag Hoffnungen auf konservativer Seite, diesem Flügel der CDU wachse eine neue Wortführerin heran. So nachdrücklich positionierte sich Köhler gegen Islamismus und „politischen Islam“. Die Verfechterin einer „Leitkultur“ sorgte sogar in der Union für einige Verwunderung. Zugleich aber steht Köhler für einen neuen Politikertypus ohne Berührungsängste. Nachgesagt wird ihr, mit Schwarz-Grün oder Jamaika zu liebäugeln. Indiz ist Köhlers politischer Kontakt auch mit Kollegen der Grünen. Auch ihre langjährige beste Freundin wählt grün, wie sie erzählt hat. „Das ist auch völlig in Ordnung.“

BERICHT ÜBER DIE VEREIDIGUNG DER NEUEN MINISTERIN IM BUNDESTAG

Mit ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen zählt Köhler eine Vertreterin des modernen CDU-Flügels zu ihren Vorbildern – aber ebenso wenig lässt die auf hessischem Ticket fahrende Köhler auf Ministerpräsident Roland Koch kommen. Als Helmut-Kohl-Fan trat sie mit 14 in die Junge Union ein. Von ihrem Doktor-Vater Jürgen Falter ist zu hören, Köhler sei weit vom Wertkonservatismus entfernt. Vor allem mit ihrem Einsatz im BND-Untersuchungsausschuss hatte Köhler auf sich aufmerksam gemacht. Cool „grillte“ sie dort Schwergewichte wie Frank-Walter Steinmeier – und überzeugte auch Skeptiker in der eigenen Fraktion, die der zierlich wirkenden Soziologin soviel Biss nicht zugetraut hatten.

Als Familienpolitikerin fiel Köhler bislang nicht auf. In ersten Interviews bemühte sie sich, ein modernes Familienbild zu formulieren. Großes Glück sei es, wenn in Partnerschaften oder zwischen Kindern und Eltern Verantwortung übernommen werde. Dass kurz vor ihrer Vereidigung bekanntwurde, dass die Ministerin im Februar heiraten will, provozierte aber gleichzeitig bissige Kritik. „Man kann von einer Muss-Ehe neuen Typs sprechen“, ätzt der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck. Da Ja-Wort will die CDU-Politikerin ihrem Lebensgefährten, Innen-Staatssekretär Ole Schröder (38/CDU), geben. Im linken Spektrum wurde zudem argwöhnisch ein Eintrag Köhlers in der Abiturzeitung von 1997 registriert, nach dem sie niemals Feministin werden wolle.

Köhler studierte in Mainz Soziologie, Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte. Seit 2002 vertritt sie Wiesbaden im Bundestag. Wer aus erster Hand ein bisschen mehr über sie erfahren will, kann in sozialen Internetdiensten wie Facebook oder Twitter fündig werden. Auch als Ministerin will sie weiterzwitschern, wie sie ankündigt. Nach ihrer Ernennung freute sie sich dort Anfang der Woche über „die ersten 20 Minuten seit Freitag, die nicht verplant sind“. Freizeit aber dürfte für die Freundin des Duos Rosenstolz und von Toskana-Urlauben aber erstmal nicht im Vordergrund stehen.