Er kam im Rollstuhl ins Gericht, seine Verteidiger stellten Befangenheitsanträge. Der Demjanjuk-Prozess begann spektakulär.

München. Die Verteidiger spielen auf Zeit. Der Anwalt des mutmaßlichen KZ-Wachmanns John Demjanjuk hat zum Auftakt des Prozesses um Nazi-Verbrechen versucht, das Verfahren mit Befangenheitsanträgen hinauszuzögern. Ulrich Busch erklärte zum Prozessbeginn vor dem Landgericht München, er halte die Richter und die Staatsanwaltschaft in dem Fall für befangen. Demjanjuk sei wie alle Kriegsgefangenen, die auf Geheiß der Nazis als Wächter im Vernichtungslager Sobibor arbeiten mussten, Opfer und kein Täter gewesen.

Hochrangige Nazis seien dagegen in der Vergangenheit freigesprochen worden. Diese Fälle seien den Richtern und Staatsanwälten bekannt. Der Prozess sei deshalb „moralischer und juristischer Doppelstandard“, argumentierte Busch.

Der Prozess, der im In- und Ausland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wird, hatte wegen des riesigen Andrangs von Prozessbeobachtern erst mit über einstündiger Verspätung beginnen können. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 89-Jährigen Beihilfe zum Mord an 27 900 Menschen überwiegend jüdischen Glaubens in Sobibor im heutigen Polen vor.

Demjanjuk, der nach dem Zweiten Weltkrieg viele Jahre unbehelligt in den USA lebte und schon einmal in Israel vor Gericht stand, bestreitet die Vorwürfe und wird sich nach Angaben seines Anwalts nicht schuldig bekennen. Er wurde im Rollstuhl in den Sitzungssaal geschoben.

Demjanjuk ist nach Angaben des Simon-Wiesenthal-Zentrums der meistgesuchte Kriegsverbrecher. Er soll Kinder, Frauen und Männer in Gaskammern getrieben haben. Laut Anklage kam er als Soldat der sowjetischen Armee 1942 in deutsche Gefangenschaft und diente 1943 der SS als Wachmann in Sobibor.

Dem gebürtigen Ukrainer droht in Deutschland eine lebenslange Haftstrafe. Angesetzt sind zunächst 35 Verhandlungstage bis Anfang Mai 2010. Da Demjanjuk nur eingeschränkt verhandlungsfähig ist, wurde die Dauer auf zweimal 90 Minuten pro Sitzungstag beschränkt.

Hauptbeweismittel der Ankläger ist ein SS-Dienstausweis mit der Nummer 1393. „Abkommandiert am 27.3.43 Sobibor“ ist handschriftlich darauf notiert. Der Ausweis wurde mehrfach in Augenschein genommen, doch die Verteidigung von Demjanjuk bezweifelt die Echtheit des Dokuments.

Dem Prozess sitzt Richter Ralph Alt vor. Es gibt 19 Nebenkläger. Auch der Direktor des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem, Efraim Zuroff, reiste nach München, ebenso die Journalistin Beate Klarsfeld, die seit Jahrzehnten gegen die Vertuschung von Nazi-Verbrechen kämpft.

Keiner der noch lebenden Zeugen kann sich konkret an Handlungen Demjanjuks bei der Ermordung von Juden erinnern. Doch die Anklage folgert, dass in Sobibor stets das gesamte Personal an der Vernichtung beteiligt war, wenn die Gefangenentransporte eintrafen. Denn das Lager nahe des Dorfes Sobibor im besetzten Polen diente allein der Vernichtung von Juden. Bis zu 150 sowjetische Kriegsgefangene und 30 SS-Angehörige waren im Einsatz. (rtr/dpa/AP)