Kabul. Das klapprige Taxi prescht auf den Trupp afghanischer Soldaten zu, die an der Piste nach Sprengfallen suchen. Gewehre im Anschlag, rechnen sie mit einem Attentäter: In dem Mann auf dem Beifahrersitz erkennen sie einen Taliban-Kämpfer aus der Gegend. "Ganz ruhig, Jungs", sagt der Fahrgast. Vorsichtig steigt er aus und fasst seine Kalaschnikow am Lauf, um seine friedliche Absicht zu beweisen. "Seht ihr nicht, dass die neu ist?", fragt Rahimullah die Soldaten. "Die ist von der Regierung. Ich hab die Seiten gewechselt."

Der Bauer (22) sagt, er habe die Waffe bekommen, weil er den Taliban den Rücken gekehrt habe und jetzt Polizist werden wolle. Er sei nach Kabul unterwegs, um sich Uniform und Ausweis abzuholen. Irgendwelche Belege dafür hat er nicht. Rahimullah trägt das traditionelle weiße Gewand, eine Tarnjacke und das schwarze Halstuch seiner Taliban-Gruppe, gegen die die Soldaten erst kürzlich im Tagab-Tal gekämpft haben.

Die spannungsgeladene Begegnung lässt erkennen, wie problematisch es für USA und Nato in Afghanistan ist, Freunde und Feinde auseinanderzuhalten - und bisherige Feinde zuverlässig auf die Seite der Regierung zu ziehen. Als entscheidend gilt es, den Extremisten die kleinen Fische und Mitläufer abzuwerben. Doch deren Loyalität auf Dauer zu sichern, ist nicht einfach. Hunderte Polizisten und einige Soldaten sind wieder umgefallen, sobald sie ausgebildet und bewaffnet worden waren. Erst im Oktober schoss ein Polizist auf seine britischen Ausbilder und tötete fünf von ihnen.

"Wir müssen sehr vorsichtig sein mit diesen Leuten. Man kann nie wissen", sagt Hauptmann Abdul Haschem, dessen Räumtrupp Rahimullah gestoppt hat. Er telefoniert mit dem Handy herum und gibt ihm dann zögernd die Waffe zurück. Seine Vorgesetzen haben bestätigt, dass Rahimullah zu einer Taliban-Gruppe gehört, deren Kommandeur jetzt Polizeichef werden soll. Der Kommandeur Sajjed Ahmed hat sich mit anderen Taliban-Anführern entzweit. Seine 30 Mann starke Gruppe war von afghanischen Soldaten in die Enge getrieben worden, bei einem Gefecht fiel ein Dutzend seiner Leute. Ahmed habe die Waffen gestreckt und seine Dienste angeboten, hieß es.

"Wir haben einen Beweis seiner Loyalität", sagt Hauptmann Romaric, ein französischer Ausbilder in einem Vorposten bei Raimullahs Heimatort Schinkai. Er und afghanische Offiziere wüssten, dass wichtige Taliban-Führer jetzt hinter Ahmed und seinen Leuten her seien.

"Die Stammesführer entscheiden, ob die Menschen auf unserer Seite bleiben", weiß Major Mohammed Daud. Der einflussreiche Ghasi-Chan-Clan sei den Kampf leid und habe dem Seitenwechsel von Raimullahs Gruppe zugestimmt - vorläufig. Daud argwöhnt, dass sich die Stammesführer wieder auf die andere Seite schlagen könnten, wenn sie den Eindruck haben, dass die Taliban erneut die Oberhand gewinnen.