Die Bundesanwaltschaft ließ den in Mannheim lebenden und von Ruanda als Kriegsverbrecher gesuchten Ignace M. in Karlsruhe verhaften.

Karlsruhe/. Grausame Massaker der Hutu-Miliz FDLR im Ost-Kongo sollen von Deutschland aus gelenkt worden sein. Die Bundesanwaltschaft ließ am Dienstag den in Mannheim lebenden und von Ruanda als Kriegsverbrecher gesuchten Ignace M. in Karlsruhe verhaften. Neben dem Präsidenten der terroristischen Vereinigung „Forces Démocratiques de Libération du Rwanda“ (FDLR) wurde dessen Stellvertreter, der 48-jährige Straton M., im Großraum Stuttgart festgenommen.

Die Beschuldigten seien dringend verdächtig, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen zu haben, teilte die Ermittlungsbehörde mit und bestätigte Informationen des Mannheimer Senders Radio Regenbogen. Ignace M. gilt als Rädelsführer und soll über Jahre hinweg von Mannheim aus die Truppen der Hutus im Osten der Demokratischen Republik Kongo gelenkt haben. Der 46-Jährige ist laut Bundesanwaltschaft seit 2001 Präsident der FDLR. Er soll damit zugleich der Oberkommandierende der bewaffneten Truppen der Milizen- Organisation gewesen sein. Straton M., der bei Nürtingen lebt, ist seit 2005 Vizepräsident der Vereinigung und soll Ignace M. militärischen Angelegenheiten vertreten und beraten haben.

Milizionäre der FDLR sollen von Januar 2008 bis Juli 2009 mehrere hundert Zivilisten getötet und unzählige Frauen vergewaltigt haben. Dörfer wurden geplündert und niedergebrannt, die Bewohner vertrieben und zahlreiche Kinder als Soldaten zwangsrekrutiert. Bereits 1994 waren viele Mitglieder der Vereinigung am Völkermord an rund 800000 Tutsi und gemäßigten Hutus in Ruanda beteiligt. Nach den bisherigen Ermittlungen hatten die beiden mutmaßlichen Anführer der Hutu-Milizen bis zu ihrer Verhaftung maßgeblichen Einfluss auf das Kriegsgeschehen im Kongo. Die Bundesanwaltschaft geht daher davon aus, dass sie als militärische Befehlshaber für die von der FDLR begangenen Verbrechen verantwortlich sind.

Seit einem Jahr sei gegen die beiden Männer ermittelt und am Montag Haftbefehl erlassen worden. Dieser wurde dem mutmaßlichen Rädelsführer Ignace M. am Dienstag verkündet. Er kam in Untersuchungshaft. Die Gesellschaft für bedrohte Völker begrüßte die Verhaftung als „Deutschlands bislang wichtigsten Beitrag zum Ende von Massenmord und Vertreibung im Kongo“. Beide Männer hätten jahrelang „geschickt Lücken des Rechtssystems genutzt, um per Satellitentelefon aus dem sicheren Exil Massenmord in ihrer Heimat zu steuern“. Die Organisation kritisierte jedoch, das es so lange gedauert habe, bis die Justiz reagierte.

Straton M. ging im baden-württembergischen Justizministerium zeitweise ein und aus. Jan Dietzel, stellvertretender Pressesprecher des Ministeriums, bestätigte der „Stuttgarter Zeitung“ (Mittwoch), dass M. dort für einen EDV-Dienstleister tätig war. Er habe sich um die Computer der Mitarbeiter gekümmert. Doch war er „nie Bediensteter des Justizministeriums“, sagte Dietzel.

Ruanda begrüßt Verhaftung mutmaßlicher Milizen-Chefs

Auch die ruandische Regierung hat die Verhaftung der Milizenchefs in Deutschland begrüßt. Die beiden Männer hätten nicht nur in Ruanda, sondern auch im Nachbarland Kongo grausame Verbrechen verübt, sagte Justizminister Tharcisse Karugarama der in Kigali erscheinenden Zeitung „New Times“. „Sie haben das Programm des Völkermords in den Kongo getragen.“ Der ruandische Generalstaatsanwalt Martin Ngoga sagte, noch stehe nicht fest, ob Ruanda eine Auslieferung der beiden Männer beantrage. „Es ist eine Option, aber wir sind flexibel, wenn die Deutschen gewillt sind, die Verdächtigen anzuklagen“, sagte er.

Menschenrechtsorganisationen werfen der FDLR, die auch lange ihre Internetseite von Deutschland aus betrieb, schwere Kriegsverbrechen, Massaker an Zivilisten, Folter und brutale sexuelle Gewalt vor. Mehrere Führungsoffiziere der FDLR waren 1984 an dem Völkermord an rund 800000 Tutsi und gemäßigten Hutu in Ruanda beteiligt und flohen in das damalige Zaire, als die Ruandische Patriotische Front unter der Führung des heutigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame das Hutu-Regime nach 100 Tagen blutiger Massenmorde stürzte.