Das UN-Kriegsverbrechertribunal für Ruanda hat den Drahtzieher des Völkermords von 1994 zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht befand Oberst Théoneste Bagosora für schuldig, hinter den Gräueltaten zu stehen, bei denen rund 800 000 Menschen getötet wurden.

Arusha. Während zwei mitangeklagte Militärs ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, sprach die Kammer einen weiteren Angeklagten frei.

Als Auslöser der rund 100 Tage andauernden Gewalttaten, die sich überwiegend gegen Angehörige des Tutsi-Volks richteten, gilt der Anschlag auf das Flugzeug des damaligen Hutu-Präsidenten Juvenal Habyarimana 1994. Neben dem Staatschef kamen damals auch der Verteidigungsminister und der Generalstabschef der Armee ums Leben. Nach deren Tod befehligte Bagosora nach Ansicht des im tansanischen Arusha sitzenden Gerichts de facto die Armee des ostafrikanischen Landes und beging in dieser Funktion Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Er war damals der Bürochef des Verteidigungsministeriums.

Nach Auffassung des Gerichts ließ Bagosora zahlreiche Politiker und Richter gezielt ermorden. Die vom norwegischen Richter Erik Mose geführte Kammer wies ihm dabei unter anderem die Verantwortung für den Mord an der damaligen Ministerpräsidentin Agathe Uwilingiyimana zu, die als gemäßigte Hutu galt und von extremistischen Armee-Angehörigen getötet worden war. Auch der Mord am Präsidenten des Verfassungsgerichts, dem im Machtvakuum nach dem Tod von Präsident Habyarimana eine Schlüsselrolle zukam, wurde ihm angelastet.

Laut Urteil war Bagosora auch in die Ermordung von zehn Blauhelmsoldaten sowie in mehrere Massaker an Tutsi an Straßensperren in Kigali und seiner Heimatregion Gisenyi verwickelt. Die zehn belgischen UN-Soldaten waren am 7. April 1994 in einem Stützpunkt in Kigali getötet worden. Der Staatsanwaltschaft zufolge sollte so der Rückzug der UN-Truppen aus Ruanda erreicht werden, um die Tötungsmaschinerie gegen die Tutsi weiter laufen zu lassen. Bagosora soll bereits 1993 in Anspielung auf einen Völkermord angekündigt haben, "die Apokalypse" vorzubereiten.

Neben Bagosora sprach das UN-Tribunal Oberstleutnant Anatole Nsengiyumva und Major Aloys Ntabakuze des Völkermords schuldig, deren Truppen mit harscher Gewalt gegen Tutsi und gemäßigte Hutu vorgegangen waren. Für Brigadegeneral Gratien Kabiligi ordnete die Kammer hingegen die sofortige Freilassung an. Das Gericht sprach die vier Angeklagten zudem von dem Vorwurf frei, bereits vor dem Beginn des Völkermords ein Bündnis zum Genozid geschmiedet zu haben.

Bagosora, der während des sechs Jahre langen Prozesses stets seine Unschuld beteuert hatte, kündigte an, in Berufung zu gehen. Das Urteil sei eine "Enttäuschung", sagte sein Anwalt Raphaël Constant.

Die ruandische Regierung begrüßte den Gerichtsentscheid. "Was den Fall Bagosora betrifft, ist der Gerechtigkeit Genüge getan. Wir sind zufrieden", sagte der für das Tribunal entsandte Regierungsvertreter Aloys Mutabingwa der Nachrichtenagentur AFP. Nach UN-Angaben waren von April bis Juli 1994 bis zu 800.000 Menschen von Angehörigen der Hutu-Volksgruppe systematisch umgebracht worden.