Der Präsident wird sich die Augen reiben, wer jetzt in der ersten Reihe sitzt. Die wichtigsten Fakten über die Abgeordneten im neuen Bundestag.

Berlin/Hamburg. Bis zuletzt wurde gehämmert und geschraubt. Jetzt hat sich der neue Bundestag, der 17. der Bundesrepublik, auf neuen Plätzen gefunden. Der Präsident, der zweite Mann im Staate, ist der alte geblieben: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bleibt in seinem Amt. Der 60-Jährige erhielt die Stimmen von 522 der 617 Abgeordneten. Mit der Zustimmung von 84,6 Prozent lag Lammert schlechter als vor vier Jahren (93,1 Prozent). Schon in der ersten Reihe des Hauses für 622 Gewählte aber gibt es größere Umwälzungen. Wo die Abgeordneten sitzen, deren Gesichter sicher im Fernsehen sind, kann die SPD nur noch drei statt fünf Sitze für sich beanspruchen. CDU und CSU haben dort künftig sechs Sitze, FDP, Grüne und Linke je zwei.

Über 100 verschiedene Berufe sind im neuen Parlament vertreten. Ein Drittel sind Neulinge: 203 Abgeordnete waren vorher nicht im Bundestag. Es dominieren nach wie vor die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes und Juristen. Der Frauenanteil gibt Anlass zur Sorge. Auch wenn an der Spitze der Regierung in Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Frau steht, ist der Frauenanteil von 20 Prozent bei CDU/CSU dürftig. Bei der FDP ist nicht einmal jeder vierte Mandatsträger weiblich. In der SPD-Fraktion sind jetzt 38,5 Prozent Frauen (vorher (36 Prozent). Bei den Grünen (jetzt 54,4 Prozent) sind die weiblichen Abgeordneten traditionell in der Mehrheit. Erstmals schafften dies auch die Frauen bei der Linkspartei (52,6 Prozent).

Die Zahl der Studenten mit Mandat wuchs von null auf sechs. Dazu gehört auch der angehende Betriebswirt Florian Bernschneider von der FDP, der mit 22 Jahren jüngste Abgeordnete. Deutlich zugenommen haben die Abgeordneten mit Berufsangabe Journalist (15) und Gewerkschaftssekretär (14). Als Unternehmer bezeichnen sich 13 Parlamentarier. Rückläufig ist die Berufsbezeichnung Politologe (jetzt 17, bislang 28). Die Zahl der Ärzte (7) und Landwirte (11) ist im Vergleich zur vergangenen Wahlperiode in etwa gleich geblieben.

Immerhin verdoppeln konnte die SPD die Zahl der klassischen Arbeiter in den eigenen Reihen: Neben dem wiedergewählten Maurer Anton Schaaf stieß mit dem Elektrohauer Michael Gerdes jetzt ein zweiter zur Fraktion. Einen eher seltenen Beruf hat auch Katharina Landgraf. Als Meliorationsingenieurin war die CDU-Politikerin aus Thüringen vor dem Parlamentseinzug in der Wasserwirtschaft tätig. Ihr neuer FDP-Kollege Erik Schweickert aus Baden-Württemberg bringt als ausgewiesener Önologe Erfahrung mit Qualitätsweinen mit nach Berlin. Die Bayerin Agnes Krumwiede von den Grünen kommt mit einem Piano-Konzertdiplom in die Hauptstadt.

Parlamentarier aus Einwandererfamilien sind bei der FDP der in Teheran geborene Diplom-Kaufmann Bijan Djir-Sarai, bei der Linkspartei der ebenfalls aus einer iranischen Familie stammende Student Niema Movassat sowie der Jurist Raju Sharma, der einen Vater aus Indien hat. Weiterer Neuling ist bei den Grünen der in der Türkei geborene Anwalt Memet Kilic.

Bei den Grünen wurden außerdem Ekin Deligöz und der im Iran geborene Omid Nouripour wiedergewählt, bei den Linken die Duisburgerin Sevim Dagdelen. Bei den Sozialdemokraten schafften nur der Innenpolitiker Sebastian Edathy (mit indischem Vater) und der gebürtige Kroate Josip Juratovic die Rückkehr ins Parlament.

Als Stellvertreter von Bundestagspräsident Lammert (CDU) kandidieren Wolfgang Thierse (SPD), Gerda Hasselfeldt (CSU), Hermann Otto Solms (FDP), Petra Pau (Linke) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Die SPD muss wegen ihres schlechten Wahlergebnisses auf ein Vize-Amt verzichten. Thierse hatte sich in der SPD-Fraktion in einer Kampfabstimmung gegen Susanne Kastner durchgesetzt. Traditionell wird die konstituierende Sitzung vom ältesten Abgeordneten eröffnet. Dies ist diesmal der 73-jährige Heinz Riesenhuber (CDU). Am Mittwoch wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wieder vereidigt. (ryb/dpa)