SPD und CDU erklären ihre Spitzenkandidaten jeweils zum Sieger. Enttäuschung über konfliktarme Sendung. FDP, Linke und Grüne wollen gegen die Fortsetzung von Schwarz-Rot im Bund kämpfen.

Berlin. Am Morgen nach dem TV-Duell wurde das Raunen immer lauter: dass Angela Merkel (CDU) in Wahrheit eben doch keine Koalition mit den Liberalen wolle. Und nicht daran glaube, dass es nach dem 27. September für diese Farbkonstellation eine Mehrheit geben könnte.

Nur so lasse es sich erklären, warum sie ihren Herausforderer in der Fernsehsendung vor den rund 14 Millionen Zuschauern (satte sieben Millionen weniger als 2005) mit Samthandschuhen angefasst habe. Sich stattdessen mit den Moderatoren anlegte, die sie ständig unterbrachen und Steinmeier ausreden ließen. Das Raunen - es war schließlich so unüberhörbar, dass der CDU-Generalsekretär am Mittag einiges klarstellen wollte. Seine Partei sehe in der Neuauflage der Koalition mit der SPD nach der Bundestagswahl keine Alternative zum angestrebten schwarz-gelben Bündnis, sagte Ronald Pofalla nach der Präsidiumssitzung in Berlin.

Und: "Wer glaubt, dass eine Große Koalition weitere vier Jahre hält, der irrt sich." Vielmehr werde die SPD die erste Gelegenheit nutzen, um ein Bündnis mit der Linkspartei einzugehen. Daher sei eine Große Koalition bis 2013 nicht stabil. "Wir machen eine klare Koalitionsaussage zugunsten der FDP."

Doch Merkel hatte auf genau solche Feststellungen weitgehend verzichtet, sich stattdessen in schier endlosen Fachsimpeleien zur Finanzpolitik verheddert und ständig die Leistungen der Großen Koalition verteidigt. Das Ergebnis: In den Blitzumfragen nach der Sendung hatte Steinmeier das Duell, das eher ein Duett war, mit knappem Abstand für sich entschieden. Und vor allem bei den noch unentschlossenen Zuschauern gepunktet.

Pofalla redete sich das gestern schön, indem er anführte, die Kanzlerin habe "mit weitem Abstand beim Thema Wirtschaft und Arbeit" geführt. Das stimmt zwar, hat aber die Unentschlossenen, um die es Steinmeier und Merkel im Endspurt um die Macht im Bund in erster Linie geht, kaum beeindruckt. So waren laut ZDF-Umfrage unter den Unentschiedenen nur 18 Prozent der Auffassung, Merkel habe sich besser geschlagen, von Steinmeier behaupteten das 34 Prozent.

Kein Wunder, dass Pofallas Konterpart, der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, ganz andere Schlüsse zog. Steinmeier sei in der Sendung "souverän" gewesen, er habe seinen Anspruch deutlich gemacht und sei "der bessere Kanzler". In CSU-Kreisen, wo man nach Abendblatt-Informationen nur mäßig begeistert von Merkels emotionslos-nüchternem Auftritt war, wollte man sich das nicht anmerken lassen. CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich "sehr zufrieden mit unserer Kanzlerin". Ihr "gelungener Auftritt" ändere aber nichts daran, dass der Ausgang der Wahl offen sei.

FDP, Linke und Grüne wollen in den letzten Tagen des Wahlkampfs alles daransetzen, eine Neuauflage der Großen Koalition zu verhindern. Die Spitzenkandidaten Guido Westerwelle, Oskar Lafontaine und Jürgen Trittin wichen in einer lebhaft-kontroversen TV-Runde am Montagabend aber nicht von ihren Positionen ab: Trittin schloss ein "Jamaika-Bündnis" mit Union und FDP erneut aus, Westerwelle wandte sich nochmals gegen eine "Ampelkoalition" mit SPD und Grünen. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bezeichnete das TV-Duell der Kanzlerkandidaten als "dröge Regierungsveranstaltung" und "Wettstreit um das Schönreden". Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, sprach von einer "Kuschelveranstaltung". Er warf Steinmeier vor, nicht angegriffen und stattdessen ein "Bewerbungsgespräch" mit Merkel für weitere vier Jahre als Vizekanzler geführt zu haben.

Westerwelle sieht im Ablauf des TV-Duells den Kurs von SPD und Union zur Neuauflage einer Großen Koalition bestätigt. "Das war ein Abend, der nach Großer Koalition roch aus allen Poren", sagte er. Sowohl Steinmeier als auch Merkel bemühten sich gestern dann auch noch selber, diesem Eindruck etwas entgegenzusetzen. Steinmeier hielt der Kanzlerin in der SPD-Zeitung "Vorwärts" Substanzlosigkeit vor: "Wann immer jemand eine Erfolg versprechende Idee hat, sagt Angela Merkel: ,Ich auch.'"

Und Merkel unterstellte den Sozialdemokraten via "Bonner Generalanzeiger" einen zunehmenden Drang in Richtung Linkspartei: "Wir haben ja erlebt, wie die SPD bei der Bundespräsidentenwahl im Mai auf Bundesebene schon gemeinsame Sache mit den Linken gemacht und versucht hat, die Wiederwahl von Präsident Horst Köhler zu verhindern", sagte die CDU-Vorsitzende. "Da darf schon die Frage erlaubt sein, was die Zusicherung wert ist, dies nach der Bundestagswahl nicht zu tun." Solche Töne hätte nicht nur an der Basis, sondern auch im Fraktionsvorstand mancher gerne schon am Abend zuvor von ihr gehört.