Die Spitzenkandidatin der Grünen, Renate Künast, hält dagegen: “Das lassen wir nicht zu.“ Hauptgegner bis zum 27. September bleiben aber CDU und FDP.

Berlin. Die Spitzenkandidaten lassen keinen Zweifel daran, dass FDP und CDU ihre Hauptgegner sein sollen bis zum 27. September. "Schwarz-Gelb, nein danke", so lautet erwartungsgemäß auch einer der Slogans der Wahlkampagne, die sie in einer Kreuzberger Fabrikhalle erstmals der Öffentlichkeit präsentieren.

Aber für die SPD, und das ist bemerkenswert, haben Renate Künast und Jürgen Trittin gestern Vormittag ebenfalls kein warmes Wort übrig. Der in den Umfragen schwächelnde Wunschkoalitionspartner in spe ist bei den Grünen in Ungnade gefallen. So selbstbewusst man sich auch heute wieder präsentiert ("Wir melden einen Machtanspruch an"), so sauer ist man auf die Genossen. Der Vorwurf lautet: Die Sozialdemokraten schreiben ab. "Wir unterstützen die SPD darin, von uns zu lernen und in der Mitte kämpferisch um Stimmen zu werben. Dass sie auf unsere Kosten wachsen will, werden wir nicht zulassen", sagt Renate Künast dem Abendblatt. Und: "Statt in unserem Programm zu stöbern, sollte die SPD rasch den Kampf gegen Union, FDP und Linkspartei aufnehmen."

Übertriebene Empfindlichkeit? Bei den Grünen hat man aufmerksam registriert, dass sich die Fälle häufen, in denen die SPD Aktionen startet, die irgendwie verwandt klingen mit dem, was sie selbst entwickelt haben. So präsentierte SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier unlängst zusammen mit Umweltminister Sigmar Gabriel ein Strategiepapier, das nicht nur semantisch, sondern auch inhaltlich Nähe zum jenem "Green New Deal" aufweist, mit dem die Grünen erfolgreich die Wahlauseinandersetzung bestehen wollen. Deren Kernforderung ist die Schaffung von einer Million neuer Jobs innerhalb der nächsten Legislaturperiode, insbesondere durch Investitionen in Klimaschutz und moderne Umwelttechnik. "Jobs, Jobs, Jobs" - so steht es deshalb auf einem ihrer Plakate.

Kaum einen Monat, nachdem die Grünen dieses Konzept erstmals präsentiert hatten, gingen Steinmeier und Gabriel mit einem Papier namens "Green Recovery - eine neue Politik für Wachstum, Beschäftigung und Nachhaltigkeit" an die Öffentlichkeit. Darin versprechen die Genossen - Zufall oder nicht - nun ebenfalls eine Million zusätzlicher Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen, wenngleich erst bis zum Jahr 2020. Künast dazu: "Wenn die SPD schon abschreibt, sollte sie es konsequent tun: Mit gezielten Investitionen in Bildung und Klimaschutz, mit ehrgeizigen Regeln, zum Beispiel bei der Energieeinsparung, und Anreizprogrammen können wir in vier Jahren eine Million neuer Jobs schaffen."

Die Sozialdemokraten wollten auf Abendblatt-Nachfrage keine Stellung zu den Vorwürfen beziehen. Im Umweltministerium wird aber darauf verwiesen, dass Gabriel den Begriff "Green New Deal" bereits 2007 eingeführt habe, als Titel für den informellen EU-Ministerrat in Essen. Doch die Grünen haben noch mehr Beispiele parat. So nahm man in der Fraktion mit Erstaunen zur Kenntnis, dass SPD-Chef Franz Müntefering kürzlich öffentlichkeitswirksam dafür eintrat, künftig 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten deutscher Firmen zu verankern. Tatsächlich hatten die Grünen erst am 5. März einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der genau dies vorsah - aber auch mit den Stimmen der SPD abgelehnt worden war. Am 19. März stimmten die SPD-Abgeordneten außerdem gegen einen Antrag der Grünen, der darauf abzielte, dass Frauen und Männer gleich bezahlt werden. Das hinderte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil aber nicht daran, tags darauf eine Aktion im Rahmen des "Equal Pay Day" vor dem Brandenburger Tor in Berlin zu unterstützen. Künast: "Schade, dass die SPD-Männer die Frauenpolitik erst im Wahlkampf entdecken. Von schönen Worten allein kann keine Frau ihren Lebensunterhalt bestreiten."

Auch um das Copyright auf neuartige Veranstaltungstypen wird gestritten. So hält man es bei den Grünen für unwahrscheinlich, dass die SPD Ende Juni allein auf die Idee kam, unter dem Motto "Heimat Metropole" in Berlin zu diskutieren, wie Heimat im Gewirr der Großstadtmetropolen spürbar wird. Denn nur wenige Tage vorher hatten die Grünen zu einer ganz ähnlichen Konferenz eingeladen. Titel: "Heimat. Wir suchen noch."