Für die Berliner Schüler bleibt Ethik Pflicht und Religion nur Wahlfach. Ein Volksentscheid gegen dieses “Berliner Modell“ ist gestern klar gescheitert. Bundeskanzlerin Angela Merkel hätte sich ein anderes Ergebnis gewünscht.

Berlin. Für die Berliner Schüler bleibt Ethik Pflicht und Religion nur Wahlfach. Ein Volksentscheid gegen dieses "Berliner Modell" ist gestern klar gescheitert. Nach dem vorläufigen Endergebnis, das nach Auszählung aller Stimmen vom Landeswahlleiter im Internet veröffentlicht wurde, stimmten 51,3 Prozent der Teilnehmer mit Nein. Eine Minderheit von 48,5 Prozent der abstimmenden Berliner votierten für den Gesetzentwurf der Initiative Pro Reli. Das waren 14,2 Prozent aller Wahlberechtigten. Nötig waren aber eine Mehrheit bei den Abstimmenden und gleichzeitig mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten (611 422 Ja-Stimmen). Letztlich scheiterte die Abstimmung auch daran, dass nur rund 29 Prozent der 2,45 Millionen Stimmberechtigten in die Wahllokale kamen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bedauert das Scheitern der Berliner Initiative "Pro Reli" zur Aufwertung des Religionsunterrichts. Nun aber sei die Entscheidung gefallen und zu respektieren. Die Bürgerinitiative hatte ein Wahlrecht zwischen Ethik und Religion durchsetzen wollen. Die Befürworter zeigten sich über ihre klare Niederlage enttäuscht, lobten aber die in Gang gekommene Diskussion in der Hauptstadt. Über die Initiative, die unter anderem von den großen Kirchen und der CDU unterstützt wurde, war in den vergangenen Wochen heftig gestritten worden.

Der Sprecher von Pro Reli, Christoph Lehmann, räumte ein, er sei tief enttäuscht. Das Ausmaß der Niederlage habe ihn überrascht. Doch habe die Kampagne eine interessante Diskussion ausgelöst. Der Berliner Bischof Wolfgang Huber sagte, durch die Stadt gehe in der Frage eine tiefe Kluft. Doch seien die Pro-Reli-Befürworter gesprächsbereit. Wichtig sei nun, dass in Berliner Schulen mehr Werteunterricht angeboten und dies schulpraktisch besser umgesetzt werde.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat das Scheitern des Volksentscheides Pro Reli als "Sieg für die Gemeinsamkeit" der Konfessionen gewürdigt. Die Berliner hätten der Forderung nach einem Wahlrecht zwischen Ethik- und Religionsunterricht eine "deutliche Absage" erteilt, sagte Wowereit. Im Deutschlandfunk übte Wowereit scharfe Kritik an dem evangelischen Landesbischof Wolfgang Huber, der die Initiative Pro Reli besonders engagiert unterstützt hatte. Die Kirche müsse selbst diskutieren, ob diese "Polarisierung" richtig gewesen sei, sagte der SPD-Politiker. Er glaube, dieses Vorgehen habe den Kirchen insgesamt geschadet. Huber ist auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Pro-Ethik-Befürworter zeigten sich ebenfalls erschreckt über die Polarisierung der Stadt. Die Kirchen hätten sich mit der Kampagne für Pro Reli "absolut ins Aus" manövriert, sagte Linken-Landesvorsitzender Klaus Lederer.

Das beste Ergebnis hatte Pro Reli im Westbezirk Spandau mit 69,2 Prozent der Stimmen erreicht. Im Ostbezirk Marzahn-Hellersdorf stimmten dagegen nur 22,7, in Lichtenberg 21,3 Prozent der Teilnehmer für das angestrebte Wahlrecht.

Der rot-rote Senat hatte 2006 nach dem "Ehrenmord" an einer jungen Türkin entschieden, dass in den Klassen sieben bis zehn der gemeinsame Ethikunterricht aller Schüler Pflicht wird. Die Landesregierung begründet dies damit, dass angesichts der kulturellen Vielfalt der Metropole ein gemeinsames ethisches Fundament gelegt werden solle. Religion kann freiwillig zusätzlich belegt werden. Die Kirchen beklagen jedoch, wegen der ohnehin hohen Stundenzahl der Schüler sei dies unrealistisch.

Pro Reli hatte zahlreiche prominente Unterstützer gewonnen, darunter Moderator Günther Jauch und Fußballer Arne Friedrich.