Trotz vollmundiger Ankündigung droht der Bildungsgipfel zu einem Maulwurfshügel zu werden, unter dem sich die Beteiligten vor der Herausforderung...

Trotz vollmundiger Ankündigung droht der Bildungsgipfel zu einem Maulwurfshügel zu werden, unter dem sich die Beteiligten vor der Herausforderung eines gesamtstaatlichen Kraftakts für Bildung vergraben. Nichts deutet auf einen tatsächlichen Durchbruch hin, weder inhaltlich noch finanziell. So handelt es sich bei den von Bundesbildungsministerin Schavan angekündigten zusätzlichen sechs Milliarden Euro vom Bund in Wirklichkeit gar nicht um neues Geld. Stattdessen enthält das Paket längst verplantes Geld für bereits laufende oder vereinbarte Programme: Geld für das Kinderförderungsgesetz, für die Aufstiegsstipendien, den Ausbildungsbonus oder den Hochschulpakt.

Absurd ist es auch, dass im Vorfeld viele Landesfürsten nach wie vor gegen ein Bundesengagement in der Bildung wettern. Dabei stehen die Länder vor gewaltigen Aufgaben, die sie allein nicht stemmen können. Wie groß die Herausforderungen tatsächlich sind, verdeutlicht die Situation bei den Ganztagsschulen: Deren flächendeckender Ausbau bis 2020 würde inklusive des Personals allein rund 58 Milliarden kosten! Dabei sind kostenfreie Lernmittel und Mittagessen, wenigstens für Kinder aus armen Familien, noch gar nicht berücksichtigt. Aber durch das weitgehende Kooperationsverbot im Zuge der völlig verfehlten Föderalismusreform von CDU und SPD 2006 kann das erfolgreiche rot-grüne Ganztagsschulprogramm nicht mehr fortgesetzt werden.

Dabei wären wir bei den Ganztagsschulen wie auch in anderen Bereichen auf gesamtstaatliche Initiativen für Bildung mehr denn je angewiesen. Der Fachkräftemangel bildet schließlich nur die Spitze des Eisbergs. Durch Globalisierung, demografischen Wandel und die Entwicklung der Wissensgesellschaft gewinnt Bildung an Bedeutung in völlig neuer Dimension.

Studien wie der neue OECD-Bericht zeigen, dass Deutschland bei der Bildung im internationalen Vergleich immer noch schlecht abschneidet. Mit einem Anteil von 5,1 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) für Bildungsausgaben liegen wir unter dem OECD-Durchschnittswert von 6,1 Prozent und müssten jährlich 23 Milliarden Euro mehr ausgeben, um überhaupt den Anschluss zu finden. Schlecht schneidet das deutsche Bildungssystem auch bei Chancengleichheit, Durchlässigkeit oder der Studierendenquote ab.

Statt sich im Gezänk um Finanzfragen und Zuständigkeiten zu verzetteln, müssen Merkel und die Ministerpräsidenten beim Bildungsgipfel also endlich verbindliche Vereinbarungen über konkrete Verbesserungen auf einer soliden finanziellen Grundlage vorlegen. Die Aufgaben liegen auf der Hand. Jetzt käme es darauf an, sie umzusetzen: Wir brauchen für jedes Kind ab dem ersten Lebensjahr einen verbindlichen Rechtsanspruch auf ganztägige Kindertagesbetreuung und eine Qualitätsoffensive bei der frühkindlichen Förderung.

Die Länder müssen sich zu längerem gemeinsamen Lernen und individueller Förderung an den Schulen verpflichten. Wir brauchen für alle Jugendliche einen qualifizierenden Ausbildungsplatz, ohne langes Warten im Übergangssystem. Bund und Länder müssen sich ferner auf einen zweiten Hochschulpakt verständigen, der deutlich mehr Studienplätze schafft und für bessere Betreuung sorgt.

Das alles kann nur über mehr finanzielle Spielräume für Bildung erreicht werden. Dazu schlagen wir Grüne vor, die nicht für den "Aufbau Ost" verwendeten Mittel aus dem Solidaritätszuschlag schrittweise in einen Bildungssoli umzuwandeln. Auch sollten Bildungsausgaben in der Finanzverfassung künftig nicht schlechter gestellt werden als Investitionen in Straßen. Weitere Mittel können aus einer Reform der Erbschaftssteuer, der Reduzierung des Ehegattensplittings und Effizienzsteigerungen durch weniger Klassenwiederholungen gewonnen werden.

Wie die Kanzlerin den Bildungsgipfel angesichts der großen Uneinigkeit über Zuständigkeiten, Ziele und Finanzfragen noch zum Erfolg bringen will, steht in den Sternen. Klar ist aber, dass er ohne substanziell neue Ergebnisse wertlos ist. Von Show- und Symbolveranstaltungen haben die Menschen in diesem Land genug. Jetzt erwarten sie zu Recht, dass die Regierenden ihre Versprechen endlich einlösen: inhaltlich wie finanziell.


Krista Sager ist stellvertretende Fraktionschefin der Grünen im Bundestag.