Sie sitzt am Kabinettstisch wie in Stein gemeißelt. An Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) haben sich viele die Zähne ausgebissen. Mal liefen...

Berlin/Hamburg. Sie sitzt am Kabinettstisch wie in Stein gemeißelt. An Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) haben sich viele die Zähne ausgebissen. Mal liefen die Ärzte, die Pharmaunternehmer, die Krankenkassenchefs gegen die menschliche Wand aus Detailwissen, volksnaher Sprache, rheinischem Frohsinn und einem Schuss Verschlagenheit. Mal war es der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, den sie in den Kungelrunden der Großen Koalition über das Kleingedruckte der Gesundheitsreform aufklären musste. "Aber das haben Sie doch mit unterschrieben."

Gesundheitsminister sind qua Amt im Fokus aller Kritik. Den allerorten geschätzten Horst Seehofer (CSU), der sechs Jahre den qualvollen Posten innehatte, hat die wegen ihrer Zähigkeit ebenso geachtete Schmidt bereits jetzt um ein Jahr überholt. Sie ist die am längsten amtierende Gesundheitsministerin Europas. Jetzt wird ausgerechnet sie in ihrem Wahlkreis Aachen 088 von einem Ärztevertreter herausgefordert.

Der Chef der einflussreichen Klinikärzte-Vereinigung Marburger Bund, Rudolf Henke (54), tritt bei der Bundestagswahl 2009 für die CDU in Schmidts "Hinterhof" an. Henke ist der Nachfolger des Hamburgers Frank Ulrich Montgomery (Vizepräsident der Bundesärztekammer), der die Ärztegewerkschaft zur schlagkräftigen Organisation gemacht hat.

Bei der Wahl 2005 war der beliebte CDU-Herausforderer Marcel Philipp, ein Malermeister, mit 39,1 Prozent dem Polit-Promi Schmidt (40,5 Prozent) knapp unterlegen. Seit 1998 hat die Ministerin Aachen 088 direkt gewonnen. Ob Henke, der für die CDU im NRW-Landtag sitzt, im Falle einer Direktwahl überhaupt Gesundheitspolitik mitgestalten würde, ist noch offen. Das Aachener Duell Ministerin gegen Standesvertreter kommt zu einem Zeitpunkt, da die Folgen des umstrittenen Gesundheitsfonds zu sehen sein werden.

Doch wer profitiert davon, wenn die Gesundheitsreform als Projekt der Großen Koalition wahrgenommen wird? Und was, wenn Henke gewählt wird und die Union-SPD-Liaison im Bund weitergeht? In Sachen Krankenhausfinanzen drängt Henke auf schnelle Geldspritzen, weil er weiß, wie langsam die Mühlen zwischen Bund und Ländern mahlen. Außerdem: Auch wenn sich der Chef des Marburger Bundes mit dem Gesundheitsfonds abgefunden hat, schreckt er vor den Konsequenzen zurück. In wenigen Wochen wird der einheitliche Kassenbeitrag festgelegt, der Fonds kalkuliert. Steht bis dahin nicht die Hilfe für die Krankenhäuser, wird es eng, und das Verhandeln um mehr Geld fängt von vorne an.

Einen Vorteil aber hat Henke gegenüber Schmidt. Sein Bild ist schon jetzt bundesweit plakatiert. Das Aktionsbündnis zur "Rettung der Krankenhäuser" mit Städtetag, Beamtenbund, Pflegerat, Ver.di und anderen zeigt in Anzeigenmotiven die Köpfe der Organisationen, die mitmachen. Bei der Groß-Demo am 25. September in Berlin kann Henke sich vor Zehntausenden weiter profilieren.