Kürzung des Steuervorteils verstößt laut Klägern gegen den Gleichheitsgrundsatz. Ein Urteil soll erst im Dezember fallen.

Karlsruhe. Eins stellte das Bundesverfassungsgericht gleich klar: "Wir entscheiden nicht, ob die alte Pendlerpauschale wieder eingeführt werden muss oder soll", sagte Vizepräsident Andreas Vosskuhle. Höchstens wird Karlsruhe die umstrittene Neuregelung zur Nachbearbeitung an den Gesetzgeber zurückschicken. Doch ob die Richter die Abschaffung der Steuerverringerung ab dem ersten Kilometer Arbeitsweg überhaupt beanstandet, ist noch nicht absehbar: Am ersten Verhandlungstag ließ sich keine klare Tendenz unter den acht Richtern erkennen.

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die Frage, ob sich der Gesetzgeber mit der Einführung des "Werkstorprinzips" in "Wertungswidersprüche" verstrickt hat. Denn seit Anfang 2007 können erst ab dem 21. Kilometer Entfernung zwischen Wohnung und Job 30 Cent pro Kilometer abgesetzt werden. Damit entschied die Bundesregierung, die Arbeit prinzipiell am "Werkstor" beginnen zu lassen, wie Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) seine Position vor Gericht erläuterte. Für den Bund steht viel auf dem Spiel: Die 2,5 Milliarden Euro, die durch die Änderung an Steuermehreinnahmen erwartet werden, sind längst verplant, um einen ausgeglichenen Haushalt zu ermöglichen.

Zum Thema Werkstor ließ sich bereits die zuständige Berichterstatterin aus dem Richtergremium, Lerke Osterloh, hören: Bei VW in Wolfsburg könne schon "aus Rechtsgründen" niemand am Werkstor wohnen - weil es sich um ein Industrie- und nicht um ein Wohngebiet handle. Was hier frotzelnd formuliert wurde, macht das Grundproblem deutlich: Ist es "folgerichtig", wenn einerseits Werbungskosten aller Art steuerlich absetzbar sind, andererseits aber die Fahrten zum Arbeitsplatz, die ebenfalls dem Job dienen, erst ab Kilometer 21 abzugsfähig sind? Laut Fraunhofer-Institut wohnen drei Viertel der deutschen Arbeitnehmer maximal 20 Kilometer von ihrem Arbeitsort entfernt.

Vor das Verfassungsgericht waren mehrere Kläger gezogen, die bereits vor Finanzgerichten in Niedersachsen und dem Saarland sowie dem Bundesfinanzhof in Zweifel gezogen hatten, dass die Neuregelung dem Grundgesetz entspricht. Es würden der Gleichheitsgrundsatz, das Nettoprinzip, die Nichtbesteuerung des Existenzminimums und der Schutz von Ehe und Familie verletzt. Die meisten Kläger wohnen deutlich mehr als 20 Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt.

Voraussichtlich im Dezember soll das Urteil fallen. Von ihm will die Große Koalition abhängig machen, ob sie die Pendlerpauschale ändert. Die Parteien sind über das Thema heillos zerstritten. Während CSU-Chef Erwin Huber auf eine Rückkehr zur alten Regelung drängt, betont der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU), die Wahl des Wohnsitzes sei eine freie Entscheidung. Es sei nicht einsichtig, dass deren Folgen der Allgemeinheit aufgebürdet werden sollten.