Die Traditionspartei SPD steht vor einer der schwierigsten Entscheidungen ihrer jüngeren Geschichte: Beck oder...

Die Traditionspartei SPD steht vor einer der schwierigsten Entscheidungen ihrer jüngeren Geschichte: Beck oder Steinmeier?

Hier der Ministerpräsident aus Rheinland-Pfalz, erdverbunden, ein Politiker, der auf Menschen zugeht, scheinbar leutselig, und doch machtbewusst. Keine Frage, Kurt Beck wollte, als er die Parteiführung übernahm, auch Kandidat werden. Wie er auf dem Hamburger Parteitag seinen alten Rivalen, Arbeitsminister Franz Müntefering, zur Strecke brachte, trug einen Hauch von Machiavellismus in sich. Auch die ursprüngliche Duldung eines rot-roten Bündnisses in Hessen, von der er später zwar wieder abrückte, zeigte den Machtpolitiker in Beck auf. Selbst die miserabelsten Umfragewerte, die je ein SPD-Parteichef hinnehmen musste, brachten Beck nicht zu einem vorzeitigen öffentlichen Verzicht seiner Ambitionen.

Dort der ehemalige Kanzleramtschef, der in der Bevölkerung hoch geschätzte Außenminister. Früher Schröders graue Eminenz, ein Mann für alle Fälle, dessen Namen nur wenige Deutsche überhaupt kannten. Im Hintergrund agierend, leise. Gefühlsausbrüche sind ihm weitgehend fremd. Das ist bis heute so geblieben. Vollendeter Diplomat, harmonisierender Umgangston. Vor einem Jahr veröffentlichte er mit Peer Steinbrück und Matthias Platzeck ein Traktat mit dem Titel "Auf der Höhe der Zeit". Eine Schrift über die Verteidigung und Weiterentwicklung der Agenda 2010. Die stieß in der Linken auf heftige Kritik. Seitdem ist von Steinmeier zu innenpolitischen Fragen kaum etwas zu hören gewesen.

Zwar lehnt er die Kamikaze-Politik der Andrea Ypsilanti in Hessen ab, schwieg aber, als Gesine Schwan Kandidatin der SPD für das Bundespräsidentenamt wurde. Die Wahl in das höchste Staatsamt wäre aber rein rechnerisch nur mit Unterstützung der Linken möglich. Auch hatte sich der Außenminister zuvor für eine Wiederwahl des derzeitigen Bundespräsidenten Horst Köhler ausgesprochen. Steinmeier, so raunt es in Berlin, sei eben ein guter Minister, aber ein Kanzler?

Braucht einer für diesen Job nicht einen unbändigen Machtwillen? Helmut Kohl rang Rainer Barzel nieder, Gerhard Schröder seinen Konkurrenten Oskar Lafontaine, Angela Merkel versetzte Helmut Kohl mit einem Zeitungsartikel in der Spendenaffäre der CDU den politischen Todesstoß.

Vielleicht ahnt ja Steinmeier, der "gefühlte Kanzlerkandidat", dass er diesen letzten Willen zur "Machtergreifung" nicht hat. Vielleicht gibt er sich ja der Illusion hin, dass der Kanzlerjob auch auf seine "vornehme Art" zu erhalten ist. Immerhin hat der promovierte Jurist ja früh Karriere gemacht, erst in der Staatskanzlei in Hannover, dann als Chef des Kanzleramtes. "Ich weiß, was ich kann. Und ich weiß, was ich nicht kann." Diesen auslegbaren Satz dürfte sich der 52-Jährige in den vergangenen Monaten oft vorgelegt haben.

Vielleicht wird Steinmeiers Seelenlage aber weniger durch Selbstzweifel bestimmt, sondern vielmehr dadurch, dass er weiß, wie gespalten seine Partei ist. Und wie schwer, wenn nicht gar unmöglich die Aufgabe ausfällt, die verschiedenen Flügel auf Kurs zu bringen. Denn der Mainstream in der Partei will eine Korrektur des SPD-Profils. Will das Soziale, will wieder den Verteilungsstaat. Folgte Steinmeier diesem Paradigmenwechsel wäre er von vorneherein als Kandidat unglaubwürdig. Würde er mit Gewalt seinen Weg der Agenda-Politik durchsetzen, bräche die Partei weiter auseinander.

Noch ist aber nichts entschieden, wartet die SPD auf ein Signal von Kurt Beck. Tritt er doch noch selber an? Das wäre eine Alternative, die in Wahrheit keine ist. Zu fremd ist dem Rheinland-Pfälzer Berlin, zu schwach sein Ansehen im Volk. So werden vermutlich beide Politiker in den nächsten zwölf Monaten bis zur Bundestagswahl verschlissen. Und der Weg für die ehrgeizige Nachwuchspolitikerin Andrea Nahles wäre frei.