Berlin. In Deutschland gilt jeder achte Einwohner als arm. Ohne staatliche Hilfen wie Kinderzuschlag oder Hartz IV stiege die Zahl auf jeden Vierten. Laut Sozialminister Olaf Scholz (SPD) sind die Transfers nur in Finnland, Schweden und den Niederlanden ähnlich effektiv. Das ergibt der dritte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, den Scholz gestern vorstellte.

Die Schere zwischen Arm und Reich öffne sich weiter, so der Minister. Die Hauptrisikogruppen seien weiterhin Langzeitarbeitslose, Geringqualifizierte und Alleinerziehende. Bessere Bildungsangebote gelten deshalb als einer der wichtigsten Faktoren beim Weg aus der Armut. Derzeit wachse der Niedriglohnsektor besorgniserregend, so Scholz weiter: Jeder dritte Arbeitnehmer müsse ihm zugerechnet werden. Dadurch steige das Armutsrisiko auch unter Erwerbstätigen. Zahlen nannte Scholz nicht.

Als arm gilt, wer als Alleinstehender monatlich weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens zur Verfügung hat, was im Jahr 2005 rund 781 Euro entsprach. Umgekehrt gilt als reich, wer doppelt so viel Geld netto hat, wie es dem mittleren Einkommen entspricht, umgerechnet 3418 Euro.

Einkommenszuwächse gab es zwischen 2002 und 2005 nur für die beiden oberen Zehntel der Arbeitnehmer. In der Mitte stagnierten die Einkommen, in den fünf unteren Zehnteln gingen sie zurück. Im Schnitt sanken die Bruttolöhne und -gehälter um 4,7 Prozent. Dennoch ist Berufstätigkeit der Eltern der beste Schutz gegen Kinderarmut: Sind beide Eltern erwerbslos, liegt das Armutsrisiko bei 48 Prozent. Arbeitet Vater oder Mutter in Vollzeit, sinkt sie auf acht Prozent.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sah in dem Bericht eine Bestätigung dafür, "dass die Gefahr von Armut bei den Erwerbstätigen äußerst gering ist". Reflexartige Forderungen nach noch mehr staatlichen Transferleistungen seien der falsche Weg. CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer verlangte eine Entlastung der Mittelschicht durch niedrigere Steuern. Grüne und Linke erneuerten ihre Forderung nach Mindestlöhnen und zügiger Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes für Arbeitslose von aktuell 347 auf 420 Euro monatlich. Unterstützt wurden sie dabei von Sozialverbänden. Auch der Arbeitsminister forderte erneut die Einführung von Mindestlöhnen zur Bekämpfung der Armut.