Parlamentarier sprechen von einem “erheblichen Grundrechtseingriff“ durch die E-Mail-Überwachung.

Berlin. Scharfe Rüge für den Bundesnachrichtendienst, aber BND-Chef Ernst Uhrlau bleibt im Amt: Das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestages sprach dem Auslandsgeheimdienst und Uhrlau wegen der Bespitzelung der "Spiegel"-Redakteurin Susanne Koelbl das Misstrauen aus. Das Verhältnis zur Leitung des BND sei gestört, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Thomas Oppermann (SPD), nach einer zweistündigen Sitzung, an der Uhrlau teilnahm. Es ergäben sich aber keine personellen Konsequenzen in der Spitze des Dienstes. Die Bundesregierung habe in der Sitzung aber Personalveränderungen auf der Ebene von Abteilungsleitern und Stabsstellen angekündigt.

Das Gremium verurteilte die Ausforschung des E-Mail-Verkehrs zwischen der "Spiegel"-Redakteurin Susanne Koelbl und dem afghanischen Handels- und Industrieminister Amin Farhang. Farhang reagierte empört auf die gegen ihn gerichteten Abhörmaßnahmen. Gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" wies er einen möglichen unterschwelligen Vorwurf zurück, er kooperiere mit den radikal-islamischen Taliban.

Das Einsehen und das Aufbewahren der E-Mail-Korrespondenz sei nach Dauer und Intensität ein "erheblicher Grundrechtseingriff", befand das PKG in einer einmütig verabschiedeten Erklärung, die Oppermann vorlas. Die E-Mails hätten zudem sofort gelöscht werden müssen, nachdem klar gewesen sei, dass es sich um eine Deutsche gehandelt habe. Das Gremium missbilligte auch, dass die BND-Leitung weder Bundesregierung noch Kontrollgremium über den Vorgang informiert habe. Es sei nun am BND, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen.

Der BND hatte von Juni bis Ende November 2006 E-Mails der Redakteurin ausgespäht, obwohl es seit Anfang 2006 nach Skandalen um Bespitzelung von Journalisten eine klare Anweisung gab, dies zu unterlassen. Uhrlau hatte die Journalistin erst am vergangenen Freitag darüber informiert und sich bei ihr entschuldigt. Die Reporterin war nach Darstellung des "Spiegels" nicht das ursprüngliche Ziel der BND-Bespitzelung. Vielmehr habe der Dienst auf dem Computer Farhangs ein Spionageprogramm - einen sogenannten Trojaner - installiert, hieß es bei "Spiegel online". Damit sei jegliche Kommunikation überwacht und an den BND gesendet worden.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte die Bespitzelung. Die BND-Mitarbeiter müssten sich an Recht und Gesetz halten, sagte er. "Wenn sie dagegen verstoßen, ist es besonders ärgerlich." Unions-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen (CDU) sagte, das PKG bedauere und missbillige die schwere Grundrechtsverletzung gegenüber der Journalistin. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sieht eine ganz konkrete Verantwortung Uhrlaus und bekräftigte auch seine Forderung nach personellen Konsequenzen an der Spitze des Dienstes. Der Linken-Abgeordnete Wolfgang Neskovic hingegen meinte: "Es geht hier nicht um Herrn Uhrlau, sondern um die Kontrollfähigkeit der Geheimdienste. Ein Rücktritt von Herrn Uhrlau ändert daran gar nichts." Ins Rollen kam der Fall durch ein anonymes Schreiben, das auch nach Einschätzung Ströbeles aus dem BND stammen muss. Nach Angaben der ARD wirft ein BND-Insider in dem Schreiben der Spitze des Geheimdienstes den Versuch vor, einen "außergewöhnlichen weiteren Fall von Journalistenbespitzelung" zu verschleiern. Der Verfasser nenne alle mit dem Fall befassten BND-Mitarbeiter namentlich.