24 Prozent der Verweisungen auf andere Gesetze waren zu komplex und unüberschaubar. Die Sprache ein “Katastrophenfall“.

Berlin. Schon der wachsende Seitenumfang des Bundesgesetzblattes, in dem die neuen Bundesnormen verkündet werden, zeigt das steigende Maß an Regulierung. Doch nicht nur die wachsende Zahl dieser Gesetze, Verordnungen und Vorschriften schränkt die Freiheit von Bürgern und Wirtschaft in Deutschland immer weiter ein, sondern auch ihre oft schlechte Qualität.

Erstmals wurden jetzt in einer Studie die Normen der laufenden Legislaturperiode auf ihre Qualität hin untersucht. Ulrich Karpen, Professor für Staatsrecht an der Universität Hamburg und früherer CDU-Abgeordneter in der Bürgerschaft, der die Analyse im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft erstellt hat, beklagt die "schweren handwerklichen Mängel" der Gesetzgebung. 50 Prozent der untersuchten Normen waren sprachlich unverständlich, 24 Prozent der Verweisungen auf andere Gesetze waren überkomplex und unüberschaubar - und das trotz der hohen Juristen-Dichte in Bundestag, Ministerien und Verwaltung. Viele der Normen seien zu detailliert, so Karpen. Durch bessere Formulierungen könnte die "Haltbarkeit" der Gesetze deutlich verlängert und die Änderungen reduziert werden. "Der Gesetzgeber sollte eigentlich nur die allgemeine Richtung vorgeben - alles andere ist Aufgabe der Verwaltung. Leider geriert sich der Bundestag aber immer öfter wie eine Verwaltungsbehörde."

Sprachlich lassen die Normen oft zu wünschen übrig. "Die Sprache des Gesetzes ist ein Katastrophenfall", sagt Karpen. Selbst erfahrene Politiker und auch Juristen verstünden so manche Norm nicht mehr. Ein Grund dafür sei das überhöhte Tempo, mit dem so manches Gesetz erlassen werde. Besonders beim Gesetzlichen Krankenversicherungs-Wettbewerbsstärkungsgesetz (die Gesundheitsreform) wurden komplizierte Sachverhalte in so kurzer Zeit bearbeitet, dass "selbst die Gesundheitsexperten der Fraktionen, die Meinungsführer, das komplexe Material vor den Abstimmungen kaum vollständig sichten konnten", so Karpen.

Für den steigenden Gesetzgebungsdruck ist auch die EU verantwortlich. 26 Prozent der untersuchten Normen im Bundesrecht setzten nur EU-Recht um. Doch wie am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu erkennen sei, so Karpen, neige der Gesetzgeber auch noch dazu, diese Umsetzungen zu "veredeln".

Gleichzeitig gibt es eine gesellschaftliche Tendenz, immer mehr vom Staat zu erwarten. Schon 2001 kritisierte Ex-Bundesbankchef Hans Tietmeyer die "Vollkaskomentalität" der Bürger. "Wenn man von der Wiege bis ins Grab vom Staat versorgt sein will, dann muss man die Existenz von vielen Normen in Kauf nehmen", sagt auch Karpen.

Und Klaus-Heiner Röhl, Bürokratieexperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln), regt eine "generelle Aufgabenkritik, was der Staat leisten kann und soll und welche Aufgaben besser privat erbracht werden könnten", an.