Auch Delinquenten aus der Hansestadt waren schon in dem hessischen Lager. Die Sozialbehörde würde eine ähnliche Einrichtung in der Stadt begrüßen.

Hamburg. Die bundesweite Debatte um den Sinn von sogenannten Erziehungscamps hat nun auch Lothar Kannenberg erreicht. Sein Trainingscamp im hessischen Diemelstadt für straffällig gewordene Jugendliche ist plötzlich in aller Munde. Wer es aber mit einem amerikanischen "Bootcamp" vergleicht, könne noch nie da gewesen sein, empört sich der ehemalige Boxer. Und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) war eben auch noch nie da, sagt Lothar Kannenberg, Gründer und Leiter des einzigen deutschen Erziehungscamps im hessischen Diemelstadt.

Zypries hatte die Praktiken in Erziehungscamps generell als "Verstoß gegen die Menschenrechte" bezeichnet. Ein Vorwurf, den Kannenberg abwehrt. "Dieser Vergleich zeugt von Unkenntnis." Sein Konzept findet immer mehr Anhänger, auch in Hamburg.

Das hessische "Trainingscamp" ist eine Jugendhilfeeinrichtung, in die 14 bis 18 Jahre alte Straftäter geschickt werden, wenn keine andere Maßnahme erfolgreich war und als nächste Station nur noch das Jugendgefängnis wartet. Vom "Wegsperren" und von längeren Strafen hält Lothar Kannenberg nichts: "Bei uns gelten klare Regeln, und sie zu brechen, hat Konsequenzen. Und ansonsten geben wir den Jugendlichen vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben: Liebe, Wärme und Geborgenheit."

Man müsse mit ihnen arbeiten. Die Arbeit im Trainingscamp heißt Sport, Box- und Verhaltenstraining. Sechs Monate dauert so ein Aufenthalt, und oft ersetzt er die Untersuchungshaft. Die Jugendlichen kommen freiwillig. Mauern oder geschlossene Türen gibt es im Camp nicht. Fast jeder der bislang 260 Jugendlichen, die seit der Eröffnung im April 2004 im Camp waren, ist mehr als 50-mal straffällig geworden. Darunter Diebstähle, Raub, Drogendelikte. "Eigentlich alles außer Mord", so Kannenberg.

Nach Angaben der Hamburger Sozialbehörde sind schon vier Hamburger Straftäter in das Erziehungscamp geschickt worden. Ein ähnliches Erziehungscamp in Hamburg würde die Sozialbehörde begrüßen. "Allerdings in freier Trägerschaft und mit dem entsprechenden pädagogischen Konzept", sagt Behördensprecherin Jasmin Eisenhut. Auch die jugendpolitische Sprecherin der GAL, Christiane Blömeke, sieht die Notwendigkeit einer eigenen Einrichtung in der Hansestadt. "Das ist viel sinnvoller als eine geschlossene Unterbringung wie die in der Feuerbergstraße", so Blömeke.

Das Haus hat für Aufregung gesorgt, weil dort kurz nach der Eröffnung zahlreiche Missstände gemeldet wurden. Ein Untersuchungsausschuss versucht seit rund zweieinhalb Jahren zu klären, ob dort Minderjährige rechtswidrig mit Psychopharmaka behandelt wurden und inwieweit Politiker über die Vorgänge informiert waren.

Der Hamburger Kriminologe Fritz Sack sieht in den Forderungen nach einem schärferen Jugendstrafrecht und längeren Haftstrafen nicht mehr als einen "reflexartigen Aufschrei, der nichts bringt". Denn Wegsperren sei kontraproduktiv, so der Professor.