BERLIN. Fünf Jahre nach Verabschiedung des strengen Stammzellgesetzes wird über die Parteigrenzen hinweg heftig über eine Lockerung diskutiert. Die von der SPD angeregte Verschiebung des Stichtags für die Einfuhr älterer embryonaler Stammzellen aus dem Ausland sei nicht tragbar, sagte der behindertenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hubert Hüppe (CDU), gestern der "Berliner Zeitung". "Damit würden wir die Tötung von Embryonen veranlassen. Denn die Produzenten der Stammzellen und die Forscher würden sich darauf verlassen, dass wir den Stichtag immer wieder ändern."

Seine CSU-Kollegin Ilse Aigner bezeichnete die Empfehlung des Ethikrates für eine Lockerung dagegen als eine "Kompromisslinie". "Das uneinheitliche Votum des Ethikrates spiegelt die Zerrissenheit wider, die in dieser Frage auch das deutsche Parlament prägt", sagte Aigner, die forschungspolitische Sprecherin der Unionsfraktion ist, dem "Handelsblatt". Die Union werde nach der Sommerpause "fraktionsoffen" über eine Reform diskutieren. Die Grünen lehnen eine Gesetzesänderung ab. Die Linke ist für Verhandlungen über die Stichtagsregelung.

Der Nationale Ethikrat hatte sich am Montag mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen, statt wie bisher nur den Import älterer embryonaler Stammzelllinien für die Forschung zu erlauben, künftig jeden Einzelfall zu prüfen (das Abendblatt berichtete). Konkret würde das den Wegfall der von Wissenschaftlern heftig kritisierten Stichtagsregelung bedeuten. Aktuell sind nur Zellen zugelassen, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden.

Die SPD will im Herbst versuchen, im Bundestag über die Fraktionsgrenzen hinweg eine Mehrheit für eine Gesetzesänderung zu organisieren. Nach Angaben des SPD-Forschungsexperten Renee Röspel sollte der Stichtag auf den 1. Mai 2007 verschoben werden. Der CDU-Politiker Michael Kretschmer sprach sich in der "Frankfurter Rundschau" dafür aus, dem Ethikrat in Sachen Einzelfallprüfung zu folgen und den Stichtag generell abzuschaffen.

Der FDP-Gesundheitsexperte Detlef Parr forderte, auch über die Präimplantationsdiagnostik zu beraten. Das Verfahren dient der Aufdeckung schwerer Erbkrankheiten vor der Geburt und ist in Deutschland verboten. "Wir können nicht europäischen Standards hinterherhinken und Paare weiterhin zwingen, Behandlungen nach dieser Methode im Ausland durchführen zu lassen", sagte Parr.