Berlin. Die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, Anja Hajduk, hat ein Umdenken bei der Verteilung der Lohnsteuereinnahmen gefordert. "Stadtstaaten wie Hamburg verlieren große Summen an das Umland", kritisierte sie im Gespräch mit dem Abendblatt. Bisher werden die Lohnsteuereinnahmen allein nach dem Wohnsitz des Arbeitnehmers, nicht nach dem Standort des Arbeitgebers, verteilt. "Das ist ungerecht, weil die Infrastrukturkosten auch zu einem großen Teil am Sitz der Betriebsstätte anfallen", sagte Hajduk. "Bei der Aufteilung sollten perspektivisch Wohnort und Betriebsstätte jeweils zur Hälfte berücksichtigt werden", sagte sie.

Mit der Föderalismusreform II sollen die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern neu geregelt werden. Bei dem heutigen dritten Treffen der Föderalismus-Kommission II unter Vorsitz von SPD-Fraktionschef Peter Struck und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger soll neben der Steuerverteilungsproblematik vor allem darüber beraten werden, wie künftig eine Überschuldung der Länder vermieden werden kann. Um den Anreiz für gutes Wirtschaften zu erhöhen, schlug Hajduk vor, sollten die Länder künftig mehr von ihren überdurchschnittlichen Steuerzuwächsen einbehalten dürfen. "Denkbar wären 30 Prozent, um Solidarität und wirtschaftliche Anreize beim Länderfinanzausgleich besser in Einklang zu bringen", sagte Hajduk. Bisher liegt der Satz bei nur zwölf Prozent.

Schleswig-Holsteins Landesvater Peter Harry Carstensen (CDU) hatte gestern in der "Welt" ein neues Modell für den Altschuldenabbau vorgeschlagen. Danach sollten die Schulden aller Bundesländer zusammengeführt und aus einem gemeinsamen Fonds beglichen werden. In den Fonds solle etwa die Hälfte des Länderanteils am Mehrwertsteueraufkommen fließen, sagte Carstensen. Wie bei einer privaten Baufinanzierung sei für die gesamte Laufzeit ein fester Betrag pro Jahr vorgesehen, der sich aus Zinsen und einem Tilgungsanteil zusammensetze. Bei einer Summe von 28 Milliarden Euro im Jahr und einem Zinssatz von 4,5 Prozent würde es zum Beispiel 30 Jahre dauern, bis die Länder ihre Schulden getilgt hätten - ganz ohne Unterstützung des Bundes.

Hajduk, stellvertretendes Kommissionsmitglied, bezeichnete den Vorschlag Carstensens wie auch das früher vorgestellte Konzept Oettingers als "noch nicht ganz ausgereift". "Es ist typisch, dass sich Ministerpräsidenten vor solch öffentlichkeitswirksamen Sitzungen in eine Art Ideenwettbewerb begeben", kritisierte sie. "Das ist mir angesichts der Ernsthaftigkeit des Themas ein bisschen zu billig." Hajduk warnte davor, die Menschen glauben zu machen, die Schulden könnten innerhalb von 30 Jahren abgebaut sein. "Das Ganze ist ein Langstreckenlauf, und das sollte man den Bürgern ehrlich mitteilen", sagte sie. "Das Ziel des Schuldenabbaus ist natürlich richtig, aber man sollte hier keine falschen Illusionen aufbauen." Bis 2040 würden die Kosten für Gesundheit und Pflege stark steigen, außerdem seien bis dahin - auch in Hamburg - voraussichtlich beträchtliche Pensionszahlungen fällig.

"Bevor wir uns mit der Altschuldenproblematik befassen, sollten wir in Deutschland erst einmal ausgeglichene Haushalte vorlegen", sagte Hajduk. "Bisher werden immer noch neue Schulden gemacht." Die Föderalismusreform II müsse hier auf neue und bessere Verschuldungsregeln setzen. "Platte Schuldenverbote sind allerdings volkswirtschaftlicher Unsinn", sagte sie im Hinblick auf einen haushaltspolitischen Antrag der Hamburger CDU. Die Grünen-Abgeordnete plädiert stattdessen für die Einführung einer "Schuldenbremse". Damit soll das Prinzip des ausgeglichenen Haushalts festgelegt und gleichzeitig auf die Konjunktur Rücksicht genommen werden. So sei bei schlechter Wirtschaftslage ein gewisses Defizit erlaubt. "In guten Zeiten müssen dann aber auch Überschüsse erwirtschaftet werden", betonte Hajduk.