BERLIN/HAMBURG. Einen Tag nach der überraschenden Entscheidung der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zugunsten einer Ehrenbürgerschaft des Hamburger Schriftstellers und Liedermachers Wolf Biermann bekommt die wochenlang strittige Angelegenheit neue Dynamik: Die SPD will nun ihren Antrag schon heute ins Abgeordnetenhaus einbringen, sagte ein Sprecher der Fraktion. Danach will ihn der Kulturausschuss des Parlaments am Montag beraten.

In etwa zwei Wochen könnte das Plenum ihn dann verabschieden. Demnach wäre eine Auszeichnung Biermanns im März denkbar. Die SPD will sich in ihrem Antrag weitgehend auf die Begründung der CDU stützen, die vor allem auf Biermanns Eintreten für Freiheit und auf die Verfolgung durch die SED hingewiesen hatte.

Wolf Biermann hat indessen signalisiert, dass er den Antrag annehmen würde. Dem Hamburger Abendblatt sagte er: "Ich freu mich darüber", in Berlin sagte sein Freund, der Rechtsanwalt und kulturpolitische Sprecher der CDU, Uwe Lehmann-Brauns, dass Biermann die Ehrung "sehr gerne" annehme, "daran bestand nie ein Zweifel", und: "Er hängt doch zu sehr an dieser Stadt, der er so viel gegeben hat, als dass er sich von vorübergehenden politischen Konstellationen irritieren lässt."

"Linksfraktion verschließt sich Biermann-Ehrung nicht" war am Dienstag eine entsprechende Presseerklärung überschrieben. "Wir werden den Weg für eine Ehrung Wolf Biermanns frei machen", aber weiterhin Biermanns Befürwortung von kriegerischen Auseinandersetzungen wie des Kosovo- und des Irakkrieges kritisieren, betonte Fraktionschefin Carola Bluhm. Biermann habe sich aber "unbestreitbare Verdienste als sozialistischer Kritiker der DDR erworben, seine Ausbürgerung 1976 war falsch und unrecht". Die Linkspartei-Abgeordneten wollen sich der Stimme enthalten, während die Grünen noch die Beratungen im Kulturausschuss abwarten wollen.

Mit einem weiteren Antrag zur Neuregelung des Verfahrens für diese Art der Würdigung will die SPD dafür sorgen, dass künftig ähnliche parteipolitische Streitereien wie in den vergangenen Wochen vermieden werden.