Aus den USA und Großbritannien kommen Hinweise für eine erhöhte Terrorgefahr in Europa. Auch in Deutschland warnt die Generalbundesanwältin vor trügerischer Ruhe. Die Gewerkschaft der Polizei klagt über den Sparkurs der Politik.

Hamburg. Generalbundesanwältin Monika Harms hat vor möglichen Terroranschlägen in Deutschland gewarnt und die Bürger zu mehr Wachsamkeit aufgerufen. Die versuchten Kofferbombenanschläge in diesem Sommer hätten gezeigt, dass "die Ruhe in Deutschland trügerisch sein kann. Ich ziehe gerne den Vergleich zu einem Geysir, der lange ruhig ist und plötzlich hochkocht", sagte sie der "Bild am Sonntag". "Wir müssen sehr, sehr wachsam sein."

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, schlossen sich dieser Einschätzung an. "Es liegt etwas in der Luft", sagte Freiberg dem Hamburger Abendblatt Sonntags. "Unsere Nervosität nimmt zu, weil bei intensiven Ermittlungen immer wieder deutlich wird, dass in Deutschland Islamisten leben, die zu Anschlägen bereit sind. Wir sind aber gar nicht in der Lage, diese rund um die Uhr zu observieren." Die Polizei spricht von bundesweit etwa 100 Gefährdern, denen Anschläge zugetraut werden. Freiberg ist sicher: "Man muss täglich mit einem Anschlag rechnen."

Merkel: "Wir brauchen wachsame Bürgerinnen und Bürger"

Die Kanzlerin appellierte am Sonnabend per Video-Podcast angesichts der Terrorgefahr: "Wir brauchen wachsame Bürgerinnen und Bürger und wir brauchen die richtigen Mittel zur Bekämpfung von Kriminalität." Niemand könne 100-prozentige Sicherheit garantieren, aber die Bundesregierung tue alles, um ein möglichst hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Es gehe dabei nicht immer nur um neue Gesetze, sondern auch darum, mit entsprechenden Mitteln einzugreifen. Videoüberwachung etwa sei eines dieser Mittel, aber auch die Anti-Terror-Datei, in der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern gemeinsam ihre Informationen über Terrorverdächtige speichern.

Generalbundesanwältin Harms äußerte die Befürchtung, dass die Aufmerksamkeit für mögliche Attentäter in Deutschland nicht groß genug ist. "Die Bevölkerung in Deutschland möchte einerseits maximalen Schutz", sagte sie der "Bild am Sonntag". "Auf der anderen Seite ist sie oftmals nicht bereit, Einschränkungen hinzunehmen, etwa eine stärkere Videoüberwachung auf den Bahnhöfen."

Bedenken von Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier, im Kampf gegen den Terrorismus könnten wesentliche Freiheitsrechte geopfert werden, wies Harms zurück: "Ich teile die Befürchtung von Herrn Papier nicht. Auch unseren freiheitlichen Rechtsstaat gibt es nicht umsonst. Um die Freiheit zu schützen, müssen wir gewisse Sicherheitsstandards einfach haben."

Von zentraler Bedeutung sei auch die Überwachung des Internets. "Wir müssen uns rüsten, um hier auf Augenhöhe zu kommen. Dazu bedarf es einer entsprechenden personellen und technischen Ausstattung auch bei der Bundesanwaltschaft", mahnte sie. Gewerkschaftschef Konrad Freiberg sprach sie damit aus der Seele. "Das Internet ist ein virtuelles Ausbildungslager für Terroristen geworden", sagte er. "Es ist allerdings schwer, auf dem Gebiet Fachleute zu bekommen. Deswegen mahne ich schon lange an, dieses Problem nicht länger aufzuschieben."

Dünne Personaldecke der Polizei

Im Vorwege des Gewerkschaftskongresses der GdP, der morgen in Berlin beginnt, wies er zudem erneut auf die ohnehin dünne Personaldecke der Polizei hin. Bei steigenden Anforderungen durch die Bekämpfung von Gewaltkriminalität, Rechtsextremismus und Terrorgefahr sowie der Absicherung von Großereignissen wie der Fußball-WM sei die Polizei in den vergangenen Jahren um 7000 Beamte geschrumpft. Wenn das Sparkonzert weitergehe, würden die Personalräte der Polizei künftig ihre Haltung ändern und etwa Überstunden nicht mehr einfach zustimmen.

"Auch unseren freiheitlichen Rechtsstaat gibt es nicht umsonst."

GENERALBUNDESANWÄLTIN MONIKA HARMS