Initiative: Vor allem Akademiker sollen für ihre Arbeit besser bezahlt werden. Arbeitsminister will verhindern, dass Unternehmen die Uni-Absolventen als billige Arbeitskräfte nutzen.

Berlin/Hamburg. Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) will den Missbrauch von Praktikumsplätzen in Unternehmen einen Riegel vorschieben. In der Haushaltsdebatte des Bundestags sagte der Vizekanzler gestern, es greife eine Methode um sich, die nicht hingenommen werden könne. "Darum müssen wir uns kümmern." Anlass für Münteferings Gesetzesinitiative ist eine Petition an den Bundestag, die von Desiree Grebel auf den Weg gebracht worden ist. 45 000 Praktikanten haben die Petition der 29jährigen Berlinerin unterstützt.

Müntefering ging im Bundestag hart mit den deutschen Unternehmen ins Gericht. Es sei nicht in Ordnung, wenn in Firmen junge Menschen als Hospitanten oder Praktikanten mit der Arbeit von Vollzeitkräften betraut würden, dafür aber nur wenig oder nichts bezahlt bekämen.

Die Initiative des Bundesarbeitsministeriums fußt nicht nur auf der Petition. Mittlerweile gibt es auch schon gesicherte Erkenntnisse zu diesem Thema. Dazu gehört eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die im Herbst erscheinen wird. Nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt und Beruf der Bundesagentur für Arbeit leisten etwa 800 000 junge Menschen jedes Jahr ein Praktikum ab. Der Zwischenbericht der DGB-Studie weist aus, dass vor allem die Praktika, die für Hochschulabsolventen angeboten werden, problematisch sind.

Über die Hälfte der Befragten Jungakademiker (53 Prozent) gab an, im Praktikum reguläre Tätigkeiten im Betrieb ausgeübt zu haben. 40,4 Prozent klagten darüber, trotz Vollzeitarbeit keinen Lohn erhalten zu haben. Etwa ein Drittel der Praktikanten hatte unter Arbeitsdruck und Überstunden zu leiden. Fast jeder Zweite empfand das Praktikum dann auch als "Ausbeutung".

Jährlich erwerben in Deutschland etwa 200 000 junge Menschen einen Hochschulabschluss. Darunter sind etwa 130 000 Universitätsdiploma und rund 70 000 Fachhochschulabschlüsse. Das Hochschulinformationssystem, das seit mehreren Jahren mit der Befragung von Hochschulabsolventen durch das Bundesbildungsministerium beauftragt ist, weist aus, dass nur die Hälfte dieser Absolventen ein Jahr nach ihrem Studienabschluss einer regulären Erwerbstätigkeit nachgeht. Die andere Hälfte schlägt sich mit Übergangsjobs, einer weiteren Ausbildungsphase oder weiterer akademischer Qualifizierung durch. Zur "regulären Erwerbstätigkeit" gehören aber Beschäftigungen wie Scheinselbtständigkeit oder Praktika.

Vor diesem Hintergrund finden sich auch in der Wirtschaft erste Initiativen für einen fairen Umgang mit Praktikanten. Eine ist die Aktion "Fair Company", die sich seit zwei Jahren darum bemüht, Praktikanten eine Chance auf eine feste Anstellung zu bieten. 363 Unternehmen haben sich dieser Initiative bereits angeschlossen. Darunter sind Firmen wie SAP, die Post oder Dr. Oetker.

Trotz vieler negativer Punkte wird das Praktikum von jungen, gut ausgebildeten Menschen überwiegend als wichtiger Schritt auf dem Weg ins Arbeitsleben gesehen. Auch die Studie des DGB weist aus: Für 76,4 Prozent war das Praktikum eine "interessante Erfahrung".