Koalitionspoker: “Staatssekretär werde ich nicht“, sagt Schröder. Nur noch wenige in der SPD-Spitze würden der CDU-Chefin als Kanzlerin einer großen Koalition ihre Stimme verweigern. Auch Bundestagspräsident von der Union?

Berlin. Bleibt Gerhard Schröder Bundeskanzler oder wird es in der großen Koalition doch Angela Merkel? Eigentlich kann auch im Berliner Politikbetrieb keiner mehr diese Frage hören. Ergo hatten gestern alle auf weißen Rauch gehofft, auf Klärung der K-Frage im diskreten Acht-Augen-Gespräch der Spitzen von Union und SPD. Doch nun geht die Hängepartie doch weiter. Alles wurde vertagt. Vor Sonntag - frühestens - soll keiner schlauer sein.

Immerhin eines aber machte Schröder gestern im Vorstand seiner Partei scherzhaft und flapsig klar: Als Staatsekretär stehe er in einer Regierung der großen Koalition nicht zur Verfügung. Bundesfamilienministerin Renate Schmidt machte dieses überaus überraschende Geständnis nach der Sitzung öffentlich und sang noch einige überschwengliche Hymnen auf den Kanzler, der von den Seinen seit dem 18. September wie ein sozialdemokratischer Halbgott gepriesen wird. "Gerhard Schröder ist unverzichtbar in einer großen Koalition", beteuerte Schmidt.

Andere beteuern stramm, man werde sich Schröder nicht abhandeln lassen, selbst wenn die Union für dessen Rückzug aus dem Kanzleramt den Sozialdemokraten den Posten des Bundestagspräsidenten anböte oder einen Ministersessel mehr. Da werde etwa der starke Seeheimer Kreis eher konservativer Sozialdemokraten keinesfalls mitmachen. Sagte jedenfalls Seeheim-Sprecher Johannes Kahrs gestern dem Abendblatt: "Für den Judaslohn eines Bundestagspräsidentenpostens oder eines weiteren Ministeriums werden wir auf unseren Kanzler nicht verzichten."

Und der prominente SPD-Linke und Poltergeist Ludwig Stiegler aus Bayern, der seit Tagen am kräftigsten gegen die Unionsparteien wettert, zog auch gestern wieder knallhart gegen Unionskanzlerkandidatin Merkel zu Felde. Die werde er "mit Sicherheit nicht" wählen, gab er einmal mehr kund. Doch mit dieser Position stand er nach Angaben von Teilnehmern gestern sogar im Parteivorstand der SPD allein.

Viele in diesem Spitzengremien der Sozialdemokraten, Müntefering vornweg, streben längst zügig Richtung große Koalition. Und Schröder ist nach dem Eindruck mancher Genossen das Gezerre um seine Person auch langsam leid. Wie der Personal- und Postenpoker enden wird, kann sich in der SPD bis dato noch keiner recht vorstellen. Doch die Union will in zwei personellen Kernfragen der SPD keinen Millimeter entgegenkommen. Die Sozialdemokraten müßten akzeptieren, daß die Union als größer Partner mit Merkel die Kanzlerin stelle und als größte Parlamentsfraktion auch das Amt des Bundestagspräsidenten bekomme, das bisher noch Wolfgang Thierse (SPD) innehat.

Nun stehe SPD-Chef Müntefering vor einer höchst heiklen Aufgabe in den eigenen Reihen. Die Schröder-Verehrung werde zum Problem. Seit dem 18. September habe sich die SPD im Widerspruch zum Wahlergebnis wie ein Sieger gebärdet, weiter Anspruch auf den Kanzlersessel erhoben und auch Interesse am Posten des Parlamentspräsidenten gezeigt, obwohl dieser Amt traditionell der größten Parlamentsfraktion zustehe.

Nun müsse, sagte ein ranghoher und einflußreicher Unionpolitiker dem Abendblatt, Müntefering seine Leute auf die Enttäuschung vorbereiten, daß die SPD Schröders Amt verliere, ferner auf die Enttäuschung, daß sie auch Thierses Amt verliere. Und außerdem müsse er den Sozialdemokraten vermitteln, daß sie in einer Koalition Konzessionen machen müßten. "Das fällt ihm wohl nicht so leicht." Dies sei auch ein Grund, warum eine Verständigung vor Sonntag nicht zu erwarten sei. Noch habe Müntefering "ein Problem, seine Truppen geschlossen mitzubringen".

Müntefering ließ sich gestern noch nicht in die Karten schauen, ließ weder durchblicken, ob er Schröder opfern würde und wenn ja, für welchen Preis. Die Union will im Poker um Posten und Positionen laut Vorstandskreisen aber auch darauf achten, daß sie in einer Koalition nicht nur für "das Neoliberale und harte Pflichtaufgaben" wie die Haushaltssanierung zuständig wird und sich die SPD wählerwirksam "in die Sozialnische kuschelt".

Bloß reißt sich in der Union bis dato auch niemand um das Finanzministerium. CSU-Chef Stoiber, das wurde gestern deutlich, will es nicht werden. Er hat zwei andere Ressorts wahlweise im Blick - das Außen- und das Wirtschaftsministerium. Zudem schielt die CSU aufs Landwirtschaftsministerium. Doch im Postenpoker halten alle ihre Karten immer noch ähnlich gut bedeckt wie im Ringen um die K-Frage. Nur in einer Prognose sind sich beide Seiten einig. Am Sonntag gebe es wohl mehr Klarheit. "Am Sonntag", sagte einer aus der Unionsführung "werden die Helden hüpfen."