AUF GLEICHER HÖHE MIT FDP UND GRÜNEN

Ich sehe die Linkspartei auf Augenhöhe mit FDP und Grünen. Damit haben wir neben den beiden Volksparteien CDU und SPD eine pluralisiertere Parteienlandschaft. Vor allem könnten wir aber eine Dreiteilung der Linken bekommen in SPD, Grüne und Linkspartei.

Enttäuschte Wähler beider Volksparteien könnten bei Gysi und Lafontaine andocken. Und je mehr Stimmen die Linkspartei bekommt, desto größer sind die Chancen für die SPD auf eine Regierungsbeteiligung als Juniorpartner in einer großen Koalition. Aber ich bezweifle, ob dies gerade in einer Situation, wo die SPD auf Grund innerparteilicher Flügelkämpfe und wegen der Linkspartei wieder offener nach links werden muß, so günstig ist.

Es ist die Frage, wie viele Befürworter der Schröder-Reformen "Agenda 2010" in der SPD nach einer Bundestagswahl übrigbleiben. Die Sanierungs- und Reforminteressen des Landes könnten Schaden nehmen. Es hat bessere Zeiten in Deutschland für eine große Koalition gegeben, zum Beispiel vor drei Jahren. (Prof. Heinrich Oberreuter)

ZWÖLF PROZENT SIND UNWAHRSCHEINLICH

Ich glaube nicht, daß die Linkspartei die jetzt prognostizierten zwölf Prozent auch tatsächlich bekommt. Die Erfahrung zeigt, daß jede Partei, die sich nur den Protest auf die Fahnen schreibt und ihre Anhänger aus dem Lager der Nicht-Wähler oder Frustrierten rekrutiert, langfristig keinen Erfolg hat. Bisher fehlt die Nachhaltigkeit. Aber die Linkspartei hat den Effekt, daß die SPD sich mal wieder wandelt, und zwar in Links-Richtung. Damit hat sich die SPD vom Wahlsieg verabschiedet, denn mit einem Linksruck in der Programmatik kämpft die Partei nicht mehr um die Wähler der Mitte, sondern will ihre Stamm-Klientel mobilisieren.

Eine große Koalition halte ich für relativ ausgeschlossen, denn Gerhard Schröder wird nicht den Juniorpartner machen. Mit einem Spitzenkandidaten Müntefering wird die SPD weiter nach links rutschen, damit könnten weite Teile der CDU nicht leben. Ich weiß nicht, ob eine große Koalition wirklich sinnvoll ist in einem Land, wo die Wähler eine klare Linie erwarten. Den Deutschen wäre mit so einer Konstellation nicht gedient. (Klaus-Peter Schöppner)

SOGAR ROT-ROT-GRÜN DENKBAR

Nach den Bekundungen der SPD scheidet Rot-Rot-Grün aus, wenn die Linkspartei in den Bundestag kommt. Aber wir haben schon oft erlebt, daß Parteien sich nicht an das halten, was sie sagen. Man muß den Wahlabend abwarten, wenn die Bundestagswahl denn stattfindet.

Neben einer schwarz-gelben Koalition ist eine große Koalition realistisch. Eigentlich bin ich eine Gegnerin einer großen Koalition, weil dann im Parlament eine starke Opposition fehlt. Diese wäre eher zersplittert, es gebe keinen Kontrapunkt. Aber ich könnte mir eine große Koalition für eine Legislaturperiode vorstellen, weil viele wichtige Reformen in Deutschland anstehen und die FDP in einem Bündnis mit der CDU/CSU ein schwacher Partner wäre. Außerdem ist das Personalpaket der Liberalen wenig begeisternd.

Für die SPD wäre die Rolle des Juniorpartners in der großen Koalition sicher einfacher zu bewerkstelligen als gar nicht zu regieren. Für ihre eigene Erneuerung wäre es für die Partei in der Opposition besser, denn die SPD muß ja auch ihren Standort wieder neu bestimmen. (Prof. Christine Landfried)

GROSSE KOALITION DURCHAUS MÖGLICH

Die Linkspartei wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Bundestag einziehen und damit die Szene im Parlament erheblich verändern. Es kann sein, daß es dann rechnerisch für Gelb-Schwarz nicht reicht, so daß es zur großen Koalition kommt. Eine rot-rot-grüne Koalition ist meiner Einschätzung nach ausgeschlossen, das kann sich die SPD momentan nicht erlauben.

Ob die Linkspartei sich langfristig als neue Partei etablieren kann, da bin ich noch nicht sicher. Die beiden Anhängerschaften in West und Ost unterscheiden sich fundamental voneinander. Die Anhänger im Osten fühlen sich als Verlierer der Einheit und sind gleichermaßen enttäuscht von CDU und SPD. Die Anhänger im Westen sind sozial abgesichert und wollen ein Forum zum Nörgeln.

Für eine große Koalition spricht die Erwartung der Bürger, daß die Großen keine taktischen Spiele treiben, sondern sich zusammenraufen und zumindest Lösungen versuchen. Man könnte, wenn man wollte. Soweit liegen CDU und SPD ja nicht auseinander. (Manfred Güllner)

UMFRAGE: MARLIES FISCHER