Notbremse unter dem Druck der Öffentlichkeit. Parteien beraten über Reform für Nebeneinkünfte. Wolfsburg/Hamburg

Wolfsburg/Hamburg. Der Volkswagenkonzern hat sich dem Druck der niedersächsischen Landesregierung gebeugt: Künftig zahlt das Unternehmen Beschäftigten, die in die Politik gewechselt sind, die Gehälter nicht mehr weiter. Außerdem nannte die Konzernzentrale in Wolfsburg die Namen von sechs bezahlten Parlamentariern.

Es sind die Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Uhl und Jann-Peter Janssen sowie die Landtagsabgeordneten Ingolf Viereck, Hans-Hermann Wendhausen und Günter Lenz aus Niedersachsen und der bayerische Landtagsabgeordnete Achim Werner (alle SPD). Werners Bezüge ruhen seit September 2001. Janssen bestritt, nach Eintritt in den Bundestag 1994 noch Gehalt von VW erhalten zu haben.

Der Konzern räumte ein, daß die Betroffenen in der Vergangenheit "weitgehende Autonomie" in ihrer Arbeitsgestaltung hatten. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) wurde deutlicher. VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder habe ihm gesagt: "Es mußte nicht gearbeitet werden." Abgeordnete sind aber verpflichtet, für Nebeneinkünfte eine angemessene Gegenleistung zu erbringen.

Unter Druck geraten nun vor allem die Abgeordneten Viereck und Wendhausen. Der niedersächsische Landtagspräsident Jürgen Gansäuer (CDU) ist nicht zufrieden mit ihren Auskünften zu ihrer Arbeit bei VW. "Die Angaben reichen schlicht nicht aus", sagte er. Er muß entscheiden, ob die kassierten VW-Gehälter gemäß dem Abgeordnetengesetz an den Landtag abgegeben werden müssen. Da beide Abgeordnete fast elf Jahre im Landtag sitzen, kann es sich um Hunderttausende Euro handeln. Die Richtlinie legte nach Abendblatt-Informationen fest, daß die vollen Bezüge weitergezahlt werden inklusive Altersversorgung und Dienstwagen. In "einsamer Entscheidung", so Wulff, habe der damalige VW-Personalvorstand Martin Posth die Richtlinie eingeführt. Danach war sie im Aufsichtsrat und im Vorstand nicht bekannt.

Ob andere Firmen dem VW-Vorbild jetzt folgen, ist unklar. Energie-Konzern RWE soll, so die "Berliner Zeitung", 100 Politiker mit insgesamt 600 000 Euro pro Jahr unterstützen.

SPD-Chef Franz Müntefering kündigte gestern an, die Bundestagsfraktionen aller Parteien würden am Dienstag über eine Verschärfung der Verhaltensregeln für Abgeordnete beraten. FDP-Chef Guido Westerwelle forderte gegenüber dem Abendblatt, die Einkünfte der Politiker insgesamt neu zu regeln. Eine unabhängige Kommission von Sachverständigen solle eine Bezahlung vorschlagen. Ihre Altersvorsorge sollten Abgeordnete - wie die Freiberufler - selbst regeln.