Westerwelle fordert im Gespräch mit dem Abendblatt, daß die Gehälter für Politiker neu geregelt werden.

Hamburg. FDP-Chef Guido Westerwelle hat davor gewarnt, Politiker, die gleichzeitig auch in der Wirtschaft tätig sind und Nebeneinkünfte erzielen, dafür zu kritisieren. "Wir brauchen mehr Abgeordnete, die wissen, was in der Wirtschaft vor sich geht", sagte er gestern dem Abendblatt. Nebeneinkünfte aus Unternehmen seien nur dann nicht akzeptabel, wenn sie ohne Gegenleistung erbracht werden.

Die Diskussion um Nebeneinkünfte sei aber auch "zu kurz gegriffen". "Denn während über die Nebeneinkünfte von Politiker aus der Wirtschaft diskutiert wird, wird wie selbstverständlich hingenommen, daß Abgeordnete als Gewerkschaftsfunktionäre bezahlt werden", sagte Westerwelle. Für einen selbständigen Arzt, Rechtsanwalt oder Handwerksmeister sei es auch gar nicht möglich, alles aufzugeben, was er sich im Laufe seines Lebens aufgebaut habe, weil er nicht weiß, ob er in vier Jahren noch dabei ist. 21 Prozent der Abgeordneten ziehen nach seinen Angaben nach vier Jahren nicht wieder in den Bundestag ein.

"Die Diskussion lenkt aber auch deshalb in die falsche Richtung, weil es um die Politikerversorgung, besser gesagt die Überversorgung, nach dem Ausscheiden aus dem Amt gehen muß", sagte Westerwelle. Wichtig sei eine Reform der Politikerversorgung. "Ich schlage vor, daß als Antwort auf den zunehmenden Vertrauensverlust der Bürger in die Politik beim Bundespräsidenten eine unabhängige Kommission von Sachverständigen eingesetzt wird, die eine völlige Neuregelung und Bezahlung der Politiker vorschlägt", sagte Westerwelle. "Dann aber sollen die Politiker von dem, was sie tatsächlich erhalten auch selbst für das Alter vorsorgen, wie jeder andere Freiberufler auch." Er erwarte von Abgeordneten, daß, wenn sie Eigenverantwortung von den Bürgern beim Thema Alterssicherung verlangen, sich selber davor nicht drücken. Die FDP habe dazu bereits Anträge eingebracht und werde sie parlamentarisch vorantreiben.

Jede Nebeneinkunft, die 18 000 Euro im Jahr übersteigt, muß dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden. Dann wird veröffentlicht, zu welchen Unternehmen ein Abgeordneter geschäftliche Beziehungen unterhält. Westerwelle sprach sich dagegen aus, die genaue Höhe der einzelnen Nebeneinkünfte der Politiker offenzulegen. "Damit kann man jeden Handwerksbetrieb, jede Rechtsanwaltskanzlei schließen", sagte er. "Dann müßte man ja auch als Anwalt oder Arzt offenlegen, aus welchem Mandatsverhältnis welche Einkünfte kommen. Das verstößt gegen jede Schweigepflicht. Das kann nicht richtig sein."

Die FDP will sich künftig verstärkt den Bürgerrechten zuwenden. "Die Bürgerrechte müssen stärker von der FDP nach außen getragen werden", sagte Westerwelle. Die rot-grüne Bundesregierung habe diese "systematisch abgebaut". Das betreffe nicht nur das Luftsicherheitsgesetz, das Bundespräsident Horst Köhler am Tag zuvor nur mit großen verfassungsrechtlichen Bedenken unterzeichnet hatte, sondern etwa auch die faktische Aufhebung des Bankgeheimnisses vom 1. April an. Dann haben Behörden ohne richterliche Genehmigung Zugriff auf alle Konten.

"Den Abschuß einer vollbesetzten Passagiermaschine durch die Bundeswehr mit dem Luftsicherheitsgesetz zu legitimieren, das legt die Axt an die Wurzeln des Grundgesetzes", sagte Westerwelle. Er sei angetan vom Bundespräsidenten, der sich von politischem Druck nicht habe beeindrucken lassen. Köhler hatte das Gesetz zwar unterzeichnet, aber ausdrücklich eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht empfohlen. Die Bundesregierung hatte daraufhin sehr gereizt reagiert. In der FDP werde ein Gang zum Bundesverfassungsgericht geprüft, sagte Westerwelle. Auf die verfassungsrechtliche Problematik dieses Gesetzes hätten die Liberalen immer wieder hingewiesen - "leider ohne große öffentliche Resonanz".

Der Rücktritt von Gerhard Schröder als SPD-Vorsitzender und die Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU hätten die Öffentlichkeit in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode mehr beschäftigt als die Sachpolitik, meint Westerwelle. "Wir wissen aber, daß das in der zweiten Hälfte anders wird", sagte der FDP-Chef auch mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. "Dann fragen sich die Wähler, was kommt, wenn die FDP in die Regierung kommt."