Druck: Ausbildungsversicherungen für Kinder sollen nicht angerechnet werden. Aber Clement bleibt hart.

Hamburg. Der öffentliche Druck scheint Wirkung zu entfalten. Nachdem am Montag 40 000 Menschen vor allem in Ostdeutschland gegen die Arbeitsmarktreform Hartz IV auf die Straße gegangen sind und für die kommende Woche noch deutlich mehr solcher Proteste angekündigt sind, werden in der SPD die Forderungen nach Nachbesserungen zahlreicher und nachdrücklicher.

Die SPD-Fraktion hat Wirtschaftsminister Wolfgang Clement aufgefordert, mehrere Bestimmung des Hartz-IV-Gesetzes unter die Lupe zu nehmen. Lieblingsprojekt der Sozialdemokraten sind dabei die Ausbildungsversicherungen für Kinder. "Die sollte man nicht anrechnen", verlangte gestern SPD-Chef Franz Müntefering. Fraktionsvize Ludwig Stiegler verlangt, das Ersparte für die Bildung der Sprösslinge aus der Vermögensanrechnung auszunehmen, wenn sichergestellt sei, dass es tatsächlich nur für Ausbildungszwecke verwendet wird. Dazu wäre eine entsprechende Verordnung im Rahmen der Ausgestaltung des Hartz-IV-Gesetzes nötig.

In der Versicherungsbranche ist man über den großen Wirbel freilich erstaunt. Denn im Verhältnis zu allen abgeschlossenen Policen gibt es so wenig Ausbildungsversicherungen, dass der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) darüber noch nicht einmal eine Statistik führt. "Wir haben nur Schätzungen", sagt GDV-Sprecher Stephan Gelhausen. "Wenn es 200 000 sind, dann sind es viel." Zum Vergleich: Die Deutschen besitzen 91 Millionen Lebensversicherungen und 60 Millionen Altersvorsorgeverträge.

Der Bund der Versicherten (BDV) kann die Debatte, wie BDV-Experte Thorsten Rudnik sagt, nur "sehr schwer nachvollziehen". Eine Ausbildungsversicherung sei schließlich nichts anderes als "eine Kapitallebensversicherung unter anderem Namen". Der Versicherte und Beitragszahler ist meist ein Elternteil. "Die Verträge gehören also den Eltern", sagt Rudnik. "Keinem Kind wird da irgendwas weggenommen, sie haben auf das Geld auch keinen rechtlichen Anspruch."

Der BDV hält diese Versicherungen als Ausbildungsabsicherung ohnehin für "nicht empfehlenswert", weil die Rendite noch mäßiger als bei einer normalen Kapitallebensversicherung sei. Und: Die Ausbildung der Kinder sei kein Versicherungs-, sondern ein Geldanlageproblem. "Es ist viel rentabler, solches Geld langfristig selbst anzulegen", sagt Rudnik. Die Politik führe eine Debatte über ein Thema, das kaum Betroffene habe, rügt der BDV-Experte. "Es wird nur wenig Langzeitarbeitslose geben, die solche Verträge haben. Rund 80 Prozent der Kapitallebensversicherungen werden wegen Geldsorgen vorzeitig gekündigt."

Neben der Ausbildungsversicherung verlangen Kritiker auch Änderungen bei Freibeträgen, Zuverdienstmöglichkeiten sowie Härtefallregelungen. Der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner fordert eine großzügigere Regelung bei Vermögen und Immobilien. Denkbar wären da etwa höhere Freibeträge bei Kindersparbüchern - derzeit betragen sie für unter 15-Jährige 750 Euro, für über 15-Jährige 4850 Euro. In der SPD-Fraktion hält man eine Stufenregelung zwischen beiden Summen für eine mögliche Variante.

Der zuständige Minister hält freilich wenig bis gar nichts von derlei Ansätzen. Wolfgang Clement will von Hartz-IV-Korrekturen nach wie vor nichts hören. Auf die Forderungen seiner Parteifreunde in der Fraktion angesprochen, sagte er nur knapp: "Mir sind keine Änderungswünsche der Fraktion bekannt."