Die Umweltprämie in Höhe von 2500 Euro für das Eintauschen von neun Jahre alten Autos gegen einen Neu- oder Jahreswagen ist der Erfolg der Konjunkturpakete. Die Bundesregierung hat beschlossen, insgesamt bis zu fünf Milliarden Euro auszuzahlen. Das schmeckt vielen überhaupt nicht. Abendblatt.de dokumentiert die Meinungen, die Fakten und die Kuriositäten rund ums staatliche Abwracken.

Hamburg/Berlin. Präsident Barack Obama wollte viel zuhören, hat er auf seiner Europa-Tournee verkündet. Dass er bei den Deutschen und Franzosen abkupfern will, war eigentlich nicht gemeint. Doch Obama, der Präsident mit dem grünen Daumen, hat sich an den alten Spruch erinnert, der da heißt "If you can’t beat them, join them". Zu deutsch: Wenn du sie nicht schlagen kannst, mach’ einfach mit.

"Cash for clunkers" heißt das Abwrackprogramm, das die Amerikaner auflegen wollen. In der Krise der Autoindustrie sind die USA zu Meistern der Kopie geworden und wollen den tauschwilligen Schrottmühlenfahrern sogar bis zu 4500 Dollar zahlen, wenn sie auf ein umweltbewussteres Vehikel umsteigen. Der US-Autoabsatz hat beinahe den niedrigsten Stand seit 30 Jahren erreicht.

In Deutschland hat das Bundeskabinett die Aufstockung auf fünf Milliarden Euro beschlossen. Jetzt können bis zu zwei Millionen Autokäufer von der Schrott-Ptämie profitieren.

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) betonte jedoch, die Summe werde nicht noch einmal erhöht. "Danach ist Schluss. Mir ist entscheidend wichtig, dass es eine Deckelung gibt, und zwar eine klare Deckelung", sagte er.

Das gleiche gelte für die Begrenzung der Förderung auf maximal den 31. Dezember 2009. "Für eine Dauersubventionierung stehe ich nicht zur Verfügung", sagte er.

Der Chef der Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz lässt kein gutes Haar an der Aufstockung der Abwrackprämie: "Man sollte diese Subventioniererei seinlassen", sagte Franz im ZDF. "Das ist im Prinzip eine Subvention einer bestimmten Branche, und Subventionen haben nun mal die Eigenschaft, dass sie wettbewerbsverzerrend wirken".

Andere Branchen und Teile der Autobranche, wie die Kfz-Werkstätten, zahlten die Zeche. Zudem drohten den Bürgern als Folge dieser Aufstockung entweder höhere Schulden des Staates oder höhere Steuern. Wolle man keine neuen Schulden, wofür er sei, "geht das nur über Steuererhöhungen".

Die Erhöhung der Abwrackprämie um 3,5 Milliarden auf 5 Milliarden Euro erhöht die Schuldenlast des Bundes sogar um 4,2 Milliarden Euro. Der Sprecher des Finanzministeriums, Torsten Albig, sagte, zu den 3,5 Milliarden kämen anteilig rund 700 Millionen Zinsen hinzu. Diese 4,2 Milliarden stocken das Sondervermögen von 21 auf 25,2 Milliarden Euro auf, das zur Finanzierung des Konjunkturpaketes geschaffen wurde.

Der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms hat die geplante Aufstockung der Mittel kritisiert. Das Beste wäre gewesen, man hätte die Abwrackprämie auslaufen lassen, sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion im Deutschlandradio Kultur.

Zwar habe die Abwrackprämie zu einer gewissen Belebung im Autohandel geführt, aber sie werde anschließend zu einem Einbruch des Automobilmarktes führen. "Das erweckt den Eindruck, dass es ein teures Wahlkampfinstrument ist", sagte Solms. Er warf der Bundesregierung Planlosigkeit vor.

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Bisher war lediglich vereinbart, dass die Prämie in bisheriger Höhe von 2500 Euro für Anträge bis zum 31. Mai zur Verfügung steht. Jetzt gibt es die 2500 Euro das ganze Jahr 2009 lang.

Die Monopolkommission der Bundesregierung nannte die Abwrackprämie "ökonomischen und ökologischen Unfug". Der Vorsitzende Justus Haucap schrieb in der Online-Ausgabe des "Handelsblatts", das Ganze sei ein Strohfeuer.

Über fünf Jahre gesehen ändere sich am Autoabsatz nichts. Denn nach dem Boom werde die Nachfrage einbrechen. Der Steuerzahler zahlt laut Haucap am Schluss die Rechnung, da er für "jede Menge Schulden" aufkommen müsse: "Der deutsche Steuerzahler kurbelt temporär die Autoproduktion in Osteuropa an, bezahlt für die Vernichtung funktionsfähiger Autos und finanziert den Wahlkampf der Regierungsparteien, welche diesen Unfug als Erfolg verkaufen."

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Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) forderte, die Abwrackprämie künftig mit Umweltauflagen zu verbinden. Sie müsse beim Neuwagenkauf mit der ab September vorgeschriebenen EU-Abgasnorm Euro 5 verknüpft werden.

"Wir müssen aufpassen, dass jetzt nicht mit Steuergeldern subventioniert die Ladenhüter von Morgen verramscht werden", so Gönner. "Wenn schon staatlich gefördert, dann sollte auch modernste Umwelttechnik auf die Straßen rollen."

Die haushaltspolitische Sprecherin der Linken, Gesine Lötzsch, sagte: "Die Abwrackprämie hat mehrere Konstruktionsfehler. Wenn die Bundesregierung die Prämie verlängern will, dann sollte sie zumindest zwei grobe Fehler beseitigen." Die Prämie müsse sozialer gestaltet werden.

"Empfänger von Arbeitslosengeld II müssen endlich einen Anspruch auf diese Prämie erhalten. Unter den Hartz-IV-Beziehenden sind über eine Million Aufstocker. Das sind Menschen, die so wenig verdienen, dass sie zusätzlich Geld vom Amt brauchen. Diese Menschen sind besonders auf Mobilität angewiesen. Ihnen die Abwrackprämie zu verweigern, ist ungerecht." Außerdem müsse die Abwrackprämie ökologischer gestaltet werden. Wer sein Auto verschrotte, um auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, solle auch eine Prämie erhalten.

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Die Abwrackprämie gilt neuerdings auch bei Möbeln, Kleidung oder Elektronik. Als Werbe-Gag offeriert ein Berliner Herrenausstatter großzügig Rabatte. Ein großer Elektronikhersteller bietet 400 Euro Prämie, wenn man seinen alten Projektor einschickt. Eine Schuhreparatur-Firma tauscht an 1000 Sammelstellen getragene Schuhe und Textilien gegen Einkaufsgutscheine ein.

Ein anderer Händler bietet 15 Euro Abwrackprämie auf Schulranzen. "So kann das Modell des Vorjahrs mit langweiligem Blümchenmuster zu günstigem Preis gegen einen top-aktuellen Ranzen ausgetauscht werden", wirbt das Geschäft.

"Dass die Händler solche Offensiven machen, ist nicht verwunderlich", sagt Ulrich Kamecke, Professor für Wettbewerbspolitik an der Berliner Humboldt-Universität. Das Wort "Abwrackprämie" habe bei den Kunden ein positives Image.

Der Frankfurter Sprachwissenschaftler und Erfinder des "Unwort des Jahres", Horst Dieter Schlosser, sagte, die Abwrackprämie habe beste Chancen, zum "Wort des Jahres" zu werden. "Es ist klar und knapp und beschreibt genau das, was Sache ist: die Belohnung für das Abwracken eines alten Autos."

Der Ansturm hält an: Mehr als eine Million Anträge gingen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) ein. Deshalb fordert auch das Handwerk eine Umweltprämie für Nutzfahrzeuge, der Städte- und Gemeindebund für alte Schulmöbel. Die Heizungshersteller wollen das Abwracken auch für alte Wärmespender, die Holzwirtschaft in Baden-Württemberg für alte Ölheizkessel. Die IG Metall forderte Geld für energiesparende Kühlschränke.

Ein Potsdamer Wäschegeschäft wirbt mit einer Abwrackprämie für Büstenhalter: "Beim Kauf eines neuen BH erhalten Sie das Unterteil gratis."

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Nachdem die Grenze von einer Million Anträge geknackt ist, geht der Boom beim Abwracken weiter. Unter den gut 1,1 Millionen Anträgen waren fast 700 000 Reservierungen über das neue Online-Verfahren. Allerdings: Ein Sprecher des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) schloss nicht aus, dass eine Anträge doppelt übermittelt wurden, von Autohäusern und Käufern gleichzeitig.

Profitiert hat vor allem der italienische Kleinwagenhersteller Fiat. Wegen der Abwrackprämie setzte der Konzern aus Turin im März in Deutschland fast 29 000 Fahrzeuge ab und stieg damit nach VW (72 000) und Opel (34 000) auf Platz drei auf.

Gegenüber dem März 2008 legte Fiat 218 Prozent bei der verkauften Stückzahl zu, wie das Kraftfahrt-Bundesamt mitteilte. VW legte um 36 Prozent zu, Opel um 27 Prozent. Der Gesamtmarkt wuchs im März um 40 Prozent auf 401 000 Stück.

Der Fiat Panda hat auch dank hoher Herstellerrabatte mit 12 457 Verkäufen den VW Fox von Platz eins der Kleinstwagen-Charts vertrieben. Der VW Polo hat bei den Kleinwagen (17 577 Verkäufe) den Skoda Fabia verdrängt.

In der Kompaktklasse ist bei der Bestseller-Liste des Kraftfahrt-Bundesamtes alles beim Alten geblieben und VW Golf und Jetta haben mit insgesamt 23 703 Neuzulassungen den ersten Rang belegt. Begehrtester Mittelklässler ist der VW Passat gewesen mit 8799 Verkäufen. Audi A6 und S6 sind 3605-mal verkauft worden.

Auch Audi profitiert. "Wir haben schon 10 000 Kunden, die mit der Prämie eine Auto gekauft haben", sagte Deutschland-Vertriebschef Michael Renz der "Leipziger Volkszeitung". Gefragt seien kleinere Fahrzeuge. "Vor allem der A3 und A4 werden bestellt, überraschenderweise aber auch der Q5", sagte Renz.

Daneben profitiert Audi auch von dem von der Prämie ausgelösten Boom bei Kleinwagen. Im Brüsseler Werk baut die VW-Tochter neben dem eigenen Modell A3 auch den VW Polo.

Die Prämie sorgt sogar für mehr Sicherheit und weniger Tote im Straßenverkehr. Warum? Lesen Sie weiter

Die Allzweckwaffe Abwrackprämie führt sogar zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Der Unfallforscher Robert Zobel sagte, das Todesrisiko für die Autofahrer, die die Abwrackprämie genutzt haben, "könnte durchaus um 20 Prozent sinken". "Wenn sie nicht ’Umweltprämie’ heißen würde, könnte man sie ebenso gut ’Sicherheitsprämie’ nennen", sagte Zobel. Je mehr "alte Gurken" durch neue, wesentlich sichere Fahrzeuge ersetzt würden, umso mehr steige die Sicherheit auf den Straßen.

Zobel sagte, dass statistisch das Todesrisiko für die Insassen von Fahrzeugen mit dem elektronischen Stabilitätsprogramm ESP um ein Drittel geringer sei als in anderen Autos. Dieses Programm habe die Schleuder-Unfälle mit Schwerverletzten oder Toten um 80 Prozent reduziert. Allerdings werden nicht alle Kleinwagen, für die die Prämie am häufigsten genutzt wird, mit diesem System verkauft.

Die wichtigsten Regeln auf der nächsten Seite

Auf abendblatt.de gibt es hier noch einmal die wichtigsten Regeln für die Abwrackprämie:

Der Umweltbonus muss künftig nicht mehr erst nach der Zulassung des Neuwagens beantragt, sondern bereits nach Abschluss des Kaufvertrags reserviert werden. Dadurch soll Autokäufern mehr Planungssicherheit angesichts der Nachfrage gegeben werden.

Autokäufer können sich den Bonus nur über die Internetseite des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle unter www.bafa.de sichern. Dazu müssen sie auf der Seite einen Reservierungsantrag mit dem Namen "UMP-Neu" mit Angaben wie dem Fahrzeugtyp oder dem Datum des Kaufvertrages ausfüllen. Zusätzlich müssen Autokäufer den Kauf- oder Leasingvertrag einscannen und als elektronisches Dokument im Anhang übermitteln. Auch eine Bestellbestätigung kann eingereicht werden.

Die Autohändler sollen die Kunden bei der Reservierung unterstützen. Nach dem Reservierungsantrag bekommt der Autokäufer vom Bafa einen schriftlichen Reservierungsbescheid. Erst mit dem Bescheid ist die Prämie sicher. Der Versand erfolgt ab dem 16. April. Nach Erhalt hat der Autokäufer sechs Monate Zeit, die restlichen Unterlagen einzureichen spätestens jedoch bis zum 31. Januar 2010.

Zu den Unterlagen gehören: der vollständige Prämienantrag, der Verschrottungsnachweis für das Altauto, der zugehörige Fahrzeugschein mit Abmeldevermerk als Kopie und der entwertete Fahrzeugbrief im Original. Dazu kommen Fahrzeugschein und -brief des Neuwagens als Kopie und bei Jahreswagen der Nachweis des Autoherstellers, dass der Wagen beim Kauf auf einen Mitarbeiter des Unternehmens zugelassen war.

Man kann auch die Prämie reservieren, wenn man ein Auto vor dem 30. März gekauft hat. Die Autokäufer müssen auf der Bafa-Internetseite das Reservierungsformular ausfüllen und mit der Kopie des Kaufvertrags im Anhang übermitteln.

Das Bafa überweist das Geld nach der Prüfung der Unterlagen auf ein Konto, das der Autokäufer in seinem Antrag angegeben hat. Die Prüfung kann mehrere Wochen dauern.