Höchster Anstieg seit 1994: Wegen der hohen Lohnzuwächse im vergangenen Jahr steigen auch die Renten für die etwa 20 Millionen Ruheständler in Deutschland zum 1. Juli dieses Jahres deutlich an. VdK-Präsidentin Mascher zu abendblatt.de: “Man darf diese Erhöhung nicht punktuell sehen. Es gibt Verbitterung unter den Rentnern.“

Hamburg/Berlin. Die Wirtschaft taumelt, aber die Renten steigen: Mit der höchsten Rentenanpassung seit 1994 (Westdeutschland) können Deutschlands Ruheständler zum 1. Juli rechnen. Knapp drei Monate vor der Bundestagswahl steigen die Renten in Westdeutschland um 2,41 Prozent, in Ostdeutschland um 3,38 Prozent.

Wer 1000 Euro Rente hat, bekommt also ab Juli 1024,10 Euro ausgezahlt. Die Standardrente liegt derzeit bei 1195 Euro im Westen und bei 1050 Euro im Osten. Dafür musste ein Durchschnittsverdiener 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben.

Männer beziehen in Westdeutschland im Durchschnitt eine monatliche Altersrente von 967 Euro, Frauen von 468 Euro. Im Osten lauten die Vergleichswerte 1043 und 669 Euro.

Arbeits- und Sozialminister Olaf Scholz (SPD) sagte, die Erhöhung gebe einen Schub für die Binnennachfrage. Nehme man die Entlastung von 0,6 Prozentpunkten bei den Krankenkassenbeiträgen dazu, hätten Rentner 2,7 beziehungsweise 3,7 Prozent und damit insgesamt 5,6 Milliarden Euro mehr zur Verfügung.

Die Rentenerhöhung drei Monate vor der Bundestagswahl soll Deutschlands Pensionäre milde stimmen. Sie fällt nach drei Nullrunden (2004 bis 2006) und zwei schmalen Erhöhungen von 0,54 (2007) und 1,1 Prozent (2008) auch nur deshalb so "hoch" aus, weil die Bundesregierung für zwei Jahre kurzerhand den "Riesterfaktor" ausgesetzt hat. Ohne diesen "Trick" wäre die Rentenerhöhung unter 2 Prozent geblieben.

"Man kann diese Rentenerhöhung nicht punktuell sehen", sagte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, dem Abendblatt. "In den vergangenen Jahren gab es Nullrunden und nur eine Mini-Anpassung. Dabei sind gerade Rentnerinnen und Rentner von den Kostensteigerung im Gesundheitswesen seit 2004 besonders betroffen."

Mascher sagte, es gebe eine große Verbitterung unter den Rentnern. Die etablierten Parteien sollten nicht glauben, die Rentner würden sie verlässlich unterstützen. Mascher sagte: "In den hohen Zustimmungswerten für die Linke im Osten oder für die Freien Wähler in Bayern steckt auch ein Stück Rentnerprotest." Bei der Bundestagswahl könne es auch "Denkzettel" geben.

Von der Erhöhung profitieren laut Scholz auch die etwa 7,6 Millionen Bürger, die das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und die Grundsicherung im Alter oder Sozialhilfe erhalten. Der Eckregelsatz steigt von 351 Euro monatlich auf 359 Euro.

"Die Rentenerhöhung mitten in der Krise zeigt, dass auf unseren Sozialstaat Verlass ist", sagte Scholz. Aus den USA kämen Nachrichten, dass Milliarden aus den Pensionsfonds verlorengegangen seien. Viele müssten dort nun länger arbeiten oder erhebliche Abstriche an ihrem Lebensstandard machen. "Wir hingegen können den Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland heute sagen: Sie nehmen an der Entwicklung des Wohlstandes teil."

Auch die Bundeskanzlerin zeigte sich erfreut über die Rentenerhöhung. Angela Merkel sagte, nun könnten auch die Rentner trotz der Wirtschaftskrise an der Einkommenssteigerung teilnehmen: "Wir helfen, die Wirkungen der Krise zu überwinden." Weil sowohl die Inflationsrate als auch die Beiträge zur Krankenversicherung gesunken seien, gebe es "einen wirklichen Nettozugewinn für Rentner".