Der Zuschlag für rund 20 Millionen Ruheständler konnte allerdings nur mit Tricks realisiert werden.

Hamburg/Berlin. Die Überraschung gelang perfekt. Was Olaf Scholz gestern lächelnd vortrug, hatte kaum jemand erwartet: eine Rentenerhöhung von knapp 3,4 Prozent im Osten und ein Plus von 2,4 Prozent im Westen. Auch der monatliche Regelsatz für das Arbeitslosengeld II, der sich an der Rentenanpassung orientiert, steigt um acht Euro auf 359 Euro. Ebenso erhöhen sich die Grundsicherung für Ältere und die Sozialhilfe.

Gerechnet wurde bis zur letzten Minute, und was dabei herauskam, war eine kleine Sensation. Der sozialdemokratische Bundesarbeitsminister, der krisenbedingt derzeit nur wenig Positives erlebt, ließ es sich nicht nehmen, die frohe Botschaft selbst zu verkünden.

Darauf hatten die rund 20 Millionen Rentner lange warten müssen: auf die kräftigste Rentenerhöhung seit mehr als einem Jahrzehnt. Mehr als diesmal gab es zuletzt 1994 im Westen mit plus 3,39 Prozent und 1997 im Osten mit plus 5,55 Prozent. Danach begannen eher karge Jahre mit faktischen Rentenkürzungen: durch Mini-Anpassungen, die die Inflation nicht wettmachten, zwischen 2004 und 2006 sogar drei Nullrunden in Folge.

Rechtzeitig zur Bundestagswahl 2009 und mitten in der Krise können sich die rund 20 Millionen Rentner also über die kräftigste Erhöhung seit Langem freuen. Scholz pries es als Konjunkturprogramm. Möglich wurde dies durch die gute Lohnentwicklung 2008: Die fiel im Osten für viele überraschend besser aus als gedacht.

Union und SPD hatten aber auch mit einem Trick nachgeholfen, indem sie kurzerhand den anpassungsdämpfenden Riester-Faktor für zwei Jahre aussetzten. Ohne diese Manipulation an der Rentenformel wäre das Rentenplus um jeweils etwa 0,6 Punkte niedriger ausgefallen. So macht sich die Rentenerhöhung aber einigermaßen bemerkbar und sieht nicht ganz nach Almosen aus: Wer eine Monatsrente von 750 Euro bekommt, kann künftig mit 18 Euro im Westen und 25 Euro im Osten mehr rechnen. Mit einer 1500-Euro-Rente fällt der Aufschlag zwangsläufig doppelt so hoch aus. Für Millionen Empfänger von Hartz-IV-Leistungen gibt es monatlich acht Euro mehr.

Letztmals im Jahr 2002 gab es eine Anhebung mit einer "2" vor dem Komma: Im Westen waren es damals 2,16 Prozent mehr, im Osten 2,89 Prozent. Die Erhöhung kostet die Rentenversicherung in diesem Jahr wahrscheinlich deutlich mehr als 2,5 Milliarden Euro, in den Folgejahren das Doppelte. Genaue Zahlen lagen nicht vor. Von Beitragserhöhungen wollte Scholz aber nichts wissen: Die Rentenfinanzen seien stabil, die Reserven gut gefüllt.

Geschenkt bekommen die Rentner nichts. Der für die Anpassung zum 1. Juli noch einmal ausgesetzte Riester-Faktor wird später - in den Jahren 2012 und 2013 - nachgeholt. Zwar weiß niemand, wie sich bis dahin Wirtschaft und Arbeitsmarkt entwickeln. Sollte der Abschwung aber länger dauern, dann sind neue Renten-Nullrunden wieder durchaus denkbar. Scholz jedenfalls wollte sich auf keinerlei Prognose festnageln lassen. Vermutlich aber war diese Renten-Runde die letzte spürbare Erhöhung für lange Zeit.

Profitieren werden die Rentner diesmal aber noch an anderer Stelle: Der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung sinkt für sie - wie auch für die meisten Beschäftigten - dank des Konjunkturpakets II zur Jahresmitte um 0,3 Prozentpunkte. Damit werden Ostrentner rechnerisch sogar 3,7 Prozent mehr zur Verfügung haben und Westrentner 2,7 Prozent. Angesichts der niedrigen Inflationsrate führt das unter dem Strich erstmals wieder zu einem echten "Netto-Zugewinn", freute sich auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU).