Wahlkampf statt Regierungshandeln - FDP-General Niebel mahnt “gewaltfreie Abwicklung“ von Schwarz-Rot an.

Hamburg/Berlin. Der Streit in der Großen Koalition eskaliert auf zentralen Feldern. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier warf der Unionsspitze völlige Konzeptlosigkeit in der Wirtschafts- und Finanzkrise vor. Statt Führung zu zeigen, setzten CDU/CSU auf alte Rezepte und Rituale, mit denen schon Ex-Kanzler Helmut Kohl das Land "in die Sackgasse" geführt habe, schreibt Steinmeier in einem gestern veröffentlichten Buch ("Mein Deutschland. Wofür ich stehe"). Erforderlich sei eine Politik, "die nicht nur Bilder und folgenlose Gipfeltreffen inszeniert, sondern auf echte Ergebnisse drängt", betont er in Anspielung auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die CDU wies Steinmeiers Kritik empört zurück. "Jahrelang saß er in Schröders Kanzleramt. Das Ergebnis waren über fünf Millionen Arbeitslose und ein rot-grünes Reformchaos", sagte CDU- Generalsekretär Ronald Pofalla. Dies werde "für immer" mit Schröders und Steinmeiers Namen verbunden sein.

Die Opposition reagierte mit Hohn. "Die Koalitionäre haben sich schon lange von der Regierungsarbeit in die Ackerfurchen des Wahlkampfes verdrückt", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel dem Hamburger Abendblatt. "Diese schwarz-rote Koalition hat nur noch ein Ziel: ihre eigene möglichst gewaltfreie Abwicklung."

Die mögliche Enteignung von Aktionären maroder Banken wie der Hypo Real Estate verschlechterte das Koalitionsklima weiter. Die CSU warf Finanzminister Peer Steinbrück vor, die angeschlagene Münchner Immobilienbank aus ideologischen Gründen verstaatlichen zu wollen. Es sei unverantwortlich, dass der SPD-Politiker ein milderes Mittel nicht einmal in Erwägung ziehen wolle, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. "Man muss sich schon fragen, ob Steinbrück und die SPD überhaupt noch auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft stehen wollen." Ein Sprecher Steinbrücks hatte zuvor ein Modell von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) abgelehnt, das eine Sanierung der Hypo Real Estate ohne vorherige Enteignung vorsieht. Guttenberg strebt ein Verfahren an, das sich an dem US-Insolvenzrecht orientiert. Danach dürfen Eigentümer für die Zeit der Sanierung ihre Aktionärsrechte nicht ausüben.

Zündstoff lieferte auch das Vorhaben, Hartz-IV-Empfängern die Abwrackprämie für Altautos zugutekommen zu lassen. CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe sagte der "Berliner Zeitung", die Unionsfraktion sehe keinen "gesetzgeberischen Handlungsbedarf". SPD-Vize Andrea Nahles warf der Union Blockade vor. In der Gesundheitspolitik stellte sich die CSU gegen SPD und CDU. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder kündigte an, den Gesundheitsfonds zu Fall zu bringen. "Der Gesundheitsfonds wird ein Zwischenspiel bleiben und im Herbst sicher abgeschafft werden", sagte Söder. Der im Januar eingeführte Fonds werde "die kurzlebigste Reform, die es im deutschen Gesundheitswesen je gegeben hat".