Zum Jahresbeginn ist der Gesundheitsfonds gestartet. Die Krankenkassen bekommen für jeden Versicherten eine feste Summe aus dem Fonds zur Deckung ihrer Leistungsausgaben und Verwaltungskosten.

Für Versicherte mit schweren Krankheiten gibt es einen Zuschlag auf Basis eines ebenfalls zum 1.1.2009 in Kraft getretenen "morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich" (kurz: Morbi-RSA). Wenn das Geld nicht reicht, muss die Kasse einen Zusatzbeitrag erheben.

Der Fonds soll nach Aussagen seiner Befürworter Garant für stabile Beitragssätze und mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sein.

Nach Meinung der Gegner des Fonds - und dazu gehören alle gesellschaftlich relevanten Gruppen, inklusive des Sachverständigenrats - kann er kein einziges Problem in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lösen.

Geht es den Befürwortern wirklich um mehr Wettbewerb, Transparenz und Gerechtigkeit oder verfolgen sie andere (unausgesprochene) Ziele? Keine der Regierungsparteien wagt es, vor der Bundestagswahl ehrliche Antworten zu geben. Fakt ist, dass die Ortskrankenkassen ("Empfängerkassen") seit 1995 Subventionen in Milliardenhöhe erhalten (14,3 Milliarden Euro in 2007). Durch den Morbi-RSA bekommen sie zusätzlich 2,4 Milliarden Euro.

Die zusätzlichen 2,4 Milliarden Euro für die Ortskrankenkassen (AOK) kommen zustande, weil - entgegen der ursprünglichen Absicht - Volkskrankheiten in den Morbi-RSA einbezogen wurden.

Volkskrankheiten sind häufig günstig zu behandeln, werden aber dennoch mit hohen Zuschlägen versehen. Folglich profitieren Kassen wie die AOK, deren Mitglieder häufiger an Volkskrankheiten leiden.

Beispiel: Diagnose "Reflux" (Sodbrennen). Die Kasse bekommt pro Patient einen jährlichen Zuschlag von 1044 Euro, wenn der Patient zweimal im Jahr wegen des Sodbrennens seinen Arzt konsultiert und er pro Jahr mindestens 183 Tabletten (Wirkstoff: Omeprazol) konsumiert. Kosten entstehen der Kasse (zweimal Arztbesuch; 183 Tabletten) jährlich in Höhe von ca. 220 Euro.

Bezahlt werden die Subventionen von Kassen mit unterdurchschnittlichen Leistungs- und Verwaltungskosten ("Zahlerkassen"). Beispiel: Die Hanseatische Krankenkasse (HEK) zahlt 2009 ihre gesamte Beitragseinnahme von 890 Millionen Euro an den Fonds und bekommt 777 Millionen zurück. Die Differenz von 113 Millionen Euro wird vornehmlich der AOK zur Deckung ihrer Leistungsausgaben und Verwaltungskosten überwiesen. Absurd ist: Der Morbi-RSA sorgt auch dafür, dass die HEK sich an den Verwaltungskosten (Personal, Geschäftsstellen, Dienstwagen) der AOK beteiligen muss.

Die Befürworter sagen, dass es im Morbi-RSA keine Unterscheidung in "Empfänger- und Zahlerkassen" mehr gäbe. "Philosophischer" Hintergrund dieser These ist die Neuorganisation der "Solidarität" in der GKV. Die seit jeher innerhalb einer Krankenkasse praktizierte Umverteilung zwischen Alten/Jungen, Mitgliedern mit hohem beziehungsweise niedrigerem Einkommen und Gesunden/Kranken ist ab dem 1. Januar kassenübergreifend organisiert. Es wird so getan, als ob die GKV eine einzige Kasse wäre. Dazu passt, dass insbesondere aus SPD-Kreisen die Forderung erhoben wird, die Zahl der Krankenkassen drastisch zu reduzieren. Je größer, umso besser? Das Maximum ist bekanntlich nur selten das Optimum.

Nach Berechnung der Kassen ist der Fonds unterfinanziert (mindestens drei Milliarden Euro), weil der staatlich festgesetzte Beitragssatz (15,5 Prozent) zu niedrig ist. Allein aufgrund der Wirtschaftskrise sind Beitragsausfälle von mindestens einer Milliarde Euro zu erwarten. Sollte sich dies bestätigen, muss der Bund mit Steuermitteln einspringen. Diesen Staatskredit wird sich der Finanzminister aber zurückholen und muss dann von den Kassen über Zusatzbeiträge - die vom Versicherten allein zu zahlen sind - finanziert werden.

Fazit: Die Krankheitsauswahl und Höhe der Krankheitszuschläge hat die AOK zum Hauptprofiteur des Morbi-RSA gemacht. Finanziert wird die Umverteilung von "Zahlerkassen". Das Ziel der Politik lautet: weniger Kassen und so wenig Zusatzbeiträge wie möglich vor der Bundestagswahl. Nach der Wahl wird es Zusatzbeiträge auf breiter Front geben. Unsere Demokratie lebt von Aufrichtigkeit, Transparenz und der offenen Diskussion. Die Politik sollte daher nicht verschweigen, welche Ziele sie tatsächlich verfolgt.