Der frühere US-Botschafter Kornblum verteidigt die Kanzlerin nach ihren umstrittenen Äußerungen. Sie bemüht sich um Schadensbegrenzung.

Hamburg. "Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten." Mit diesem Satz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in Deutschland eine Ethik-Debatte ausgelöst und sich viel Kritik auch aus der eigenen Partei eingehandelt. Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, verteidigte dagegen die Äußerung Merkels. "Diese Ethik-Debatte geht an der Sache vorbei", sagte Kornblum dem Abendblatt. "Es geht nicht darum, dass man sich über den Tod eines Menschen freut, man ist vielmehr froh, dass dieses Symbol des Terrors jetzt beseitigt worden ist."

Die Bundeskanzlerin selbst bemühte sich gestern um Schadensbegrenzung. Ihr Motiv sei der Gedanke gewesen, dass von Bin Laden nun keine Gefahr mehr ausgehe und "die Welt hoffentlich ein Stück sicherer" geworden sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. In Verbindung mit diesen "Gedanken der Erleichterung und der Freude" sei die umstrittene Äußerung zu verstehen. In dem Zusammenhang würde die Kanzlerin diese Gefühle "auch wieder so ausdrücken", betonte Seibert. Merkel habe aber Verständnis dafür, dass das Zusammenwirken der Worte Tod und Freude in einem Satz als unpassend empfunden worden sei.

Scharfe Kritik kam vom Vorsitzenden des Bundestags-Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU). "Ich hätte es so nicht formuliert. Das sind Rachegedanken, die man nicht hegen sollte. Das ist Mittelalter", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Unionsfraktionsvize Ingrid Fischbach (CDU) ging ebenfalls auf Distanz. "Aus christlicher Sicht ist es sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern", sagte die Politikerin, die dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angehört, der "Berliner Zeitung". Der außenpolitische Sprecher der Union, Philipp Mißfelder, rügte Merkel mit den Worten: "Ich freue mich nicht, dass ein Mensch gestorben ist." Ähnlich äußerte sich der FDP-Innenpolitiker Hartfrid Wolff: "Ich kann mich über den Tod eines Menschen nicht freuen", sagte er dem "Tagesspiegel".

Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte der "Berliner Zeitung": "Als Christin kann ich nur sagen, dass es kein Grund zum Feiern ist, wenn jemand gezielt getötet wird." Die Grünen-Politikerin ist Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte, über den Tod des Terroristen sei er zwar erleichtert, empfinde aber kein Triumphgefühl darüber wie viele Amerikaner. "Uns Deutschen ist hoffentlich jede Feier von militärischen Erfolgen vergangen." Kornblum verwies im Abendblatt darauf, dass das Weiße Haus inzwischen klargestellt habe, dass eine Gefangennahme des Al-Qaida-Chefs nicht möglich gewesen sei. "Es ist aber wirklich einfacher, dass er nicht mehr lebt." Der US-Diplomat äußerte Verständnis, dass in den USA die Nachricht vom Tod Bin Ladens spontan Freude ausgelöst hat. Präsident Barack Obama sei nun schon der zweite Präsident in den USA, der mit dem Problem gelebt habe. In Amerika herrsche nach dem Trauma der Anschläge vom 11. September 2001 nun im ganzen Land Erleichterung. Und das werde in aller Welt verstanden.

Kornblum sagte weiter: "Die Welt wird viel besser ohne Bin Laden dran sein: Amerika wird selbstbewusster sein und die jungen Leute in Nordafrika und in Nahost, die für Demokratie kämpfen, werden sehen, dass der Terrorismus nicht mehr so sehr in der arabischen Region verwurzelt ist." Sicher sei menschliches Leben kostbar. "Aber es gibt Situationen, wo das Ableben bestimmter Menschen eher ein Vorteil als ein Nachteil für die Welt ist."

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, stärkte der Kanzlerin den Rücken. Es sei Merkel nicht um "die Freude über den Tod eines einzelnen Menschen" gegangen, sagte Graumann. Vielmehr habe sich ihre Freude darauf bezogen, dass ein Schlag gegen den internationalen Terrorismus gelungen sei. Die Kritik, die nun auf Merkel einprassele, sei "sehr ungerecht". Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte ohne direkten Bezug auf die Äußerungen Merkels vor überzogenen Freudenreaktionen des Westens und rief zu Respekt vor dem Islam auf.