BND-Chef Ernst Uhrlau geht davon aus, dass al-Qaida durch den Tod von Terrorchef Osama bin Laden jetzt die Integrationsfigur fehlt.

Hamburg. Nach Angaben des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Ernst Uhrlau, bedeutet der Tod von Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden "zunächst keinen Zuwachs an Sicherheit". Die Gefahr des internationalen Terrorismus existiere weiter, "deshalb müssen die Sicherheitsbehörden weiterhin sehr wachsam sein", sagte der Geheimdienst-Chef dem Hamburger Abendblatt.

Dennoch bewertet Uhrlau den US-Einsatz als gelungen: "Die erfolgreiche Operation kann, durch den Wegfall der Integrations- und Identifikationsfigur Osama Bin Laden, in der weiteren Entwicklung zu einer nachhaltigen Schwächung von Kern-al-Qaida führen." Eine Einflussnahme Bin Ladens auf das taktisch-operative Tagesgeschäft des Al-Qaida-Netzwerks sei zwar seit Längerem nicht mehr möglich gewesen. Sein Tod habe aber große Bedeutung, da Bin Laden nicht nur innerhalb der Al-Qaida-Gesamtorganisation, sondern auch darüber hinaus eine "unangefochtene Rolle als zentrale Integrations- und Leitfigur" innegehabt habe.

Uhrlau rechnet nicht damit, dass es den Terroristen gelingt, diese Lücke schnell wieder zu füllen. "Nach hiesiger Bewertung verfügt derzeit keine der nachgeordneten Führungspersonen über die notwendige unangefochtene Akzeptanz, weder innerhalb Kern-al-Qaidas noch der Gesamtorganisation, um diese Funktion übernehmen zu können", sagte Uhrlau.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) rechnet damit, dass die Terrorgefahr mittelfristig eher sinkt. "Natürlich müssen wir wachsam bleiben und uns auch darauf einstellen, dass es Gegenreaktionen gibt", sagte er gestern in Berlin. "Aber ich denke, unterm Strich ist es eine Vergrößerung der Sicherheit, wenn ein solcher Terrorist sein Handwerk nicht fortsetzen kann." Für US-Einrichtungen in Deutschland wurden die Sicherheitsvorkehrungen vereinzelt hochgefahren.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte am Vortag keinen Anlass gesehen, die Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland generell zu verstärken. Ein Sprecher bekräftigte, das Sicherheitsniveau an deutschen Bahnhöfen und Flughäfen sei auf einem hohen Niveau. Die Beamten seien gut gerüstet, Gefahren frühzeitig zu erkennen und abzuwehren. Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) erklärte hingegen, obwohl es keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge gebe, seien die Maßnahmen im Südwesten noch einmal intensiviert worden. Besonderes Augenmerk werde auf den Schutz US-amerikanischer Einrichtungen gelegt.

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In Hessen hat die Polizei nach Angaben von Innenminister Boris Rhein (CDU) die Präsenz vor den US-Einrichtungen und auf den Straßen "etwas hochgefahren". Am Frankfurter Flughafen hatte Anfang März ein islamistischer Einzeltäter zwei US-Soldaten erschossen. Es war das erste vollendete Terror-Attentat eines Islamisten in Deutschland.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, ob die Maßnahmen an US-Einrichtungen verschärft würden, werde individuell mit den Amerikanern besprochen. "Da gibt es auch Einrichtungen, die heute schon so gut geschützt sind, dass wir keine zusätzlichen Maßnahmen brauchen. Und dann kann es andere geben, wo die Streifen verstärkt werden." Ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums in Mainz sagte: "Unsere Sicherheitsbehörden sind sensibilisiert worden auch mit Blick auf die US-Einrichtungen. Noch höher können die Sicherheitsvorkehrungen eigentlich nicht mehr sein."

Ein Video vom Situation Room finden Sie hier

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte dem WDR, die Sicherheitsbehörden arbeiteten sehr eng zusammen, um Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren. Jäger verwies auf die Festnahme von drei mutmaßlichen Terroristen am Freitag in Düsseldorf und Bochum. "Wir arbeiten mit Sicherheitsvorkehrungen, die auf sehr hohem Niveau sind", betonte der SPD-Politiker. Nicht immer sei dies für die Bürger sichtbar.