Es waren dramatische Minuten in Pakistan und im Weißen Haus, wie jetzt enthüllt wurde. Ein DNA-Test soll bin Ladens Identität bestätigt haben.

Washington/Islamabad/Hamburg. Mit zwei gezielten Schüssen wurde der Terrorpate von al-Qaida getötet. Während die Soldaten der amerikanischen Eliteeinheit Seal Osama bin Laden in Pakistan liquidierten, konnte US-Präsident Barack Obama im Situation Room des Weißen Hauses mit seinen engsten Beratern zusehen. Die „New York Times“ veröffentlichte einen Teil eines Dialoges zwischen der Spezialeinheit und dem POTUS, dem President of the United States und Oberkommandierenden der Streitkräfte. CIA-Direktor Leon E. Panetta soll im Weißen Haus ebenfalls die Informationen vom Zugriff in Pakistan für Obama kommentiert haben. Panetta war live mit seiner Behörde verbunden und sagte wenige Augenblicke vor bin Ladens letztem Atemzug: „Sie haben das Ziel erreicht.“ Dann vergingen einige Momente. „Wir haben ,Geronimo’ im Blick.“ Geronimo – das war der Codename für bin Laden. Als historisches Vorbild ist der unbeugsame indianische Kriegerhäuptling Geronimo gewählt, der Ende des 19. Jahrhunderts von den Amerikanern gefangen genommen wurde.

Kurz nach dem Blick auf bin Laden nach fast zehn Jahren Jagd sagte eine Stimme eines Soldaten, die im Weißen Haus zu hören war: „Geronimo EKIA!“ Das kryptische Kürzel bedeutet „Enemy Killed In Action”, der Feind wurde in einer Kriegshandlung getötet. Dann sei es auch bei Obama mucksmäuschenstill gewesen. Dann habe der Präsident das Wort ergriffen. „Wir haben ihn.“ So schildert die „New York Times“ die Situation im Weißen Haus.

Während des Zugriffs und kurz darauf, als die Nachrichten sich überschlugen, haben sich Cyber-Kriminelle den Einsatz des US-Militärs zunutze gemacht. Sehr schnell seien E-Mails oder Botschaften in sozialen Netzwerken aufgetaucht, die auf die Tötung bin Ladens Bezug nahmen und dazu dienten, schädliche Software zu verbreiten, wie Experten von Computer-Sicherheitsfirmen in den USA berichteten. „Die Berichte über den Tod Osama bin Ladens sind einfach ein zu guter Köder, als dass Cyber-Kriminelle sie ignorieren könnten“, erklärte der Sicherheitsspezialist McAfee.

Der Sicherheitsspezialist Sophos warnte: „Achten Sie auf Links etwa in E-Mails oder auf sozialen Netzwerken, die Ihnen besondere Informationen über die Vorgänge versprechen.“ In den Botschaften würden etwa Details zum Ablauf der US-Militäraktion, Videos oder Fotos des toten bin Laden versprochen. Tatsächlich stecke hinter den Links aber Schadsoftware.

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Derweil soll eine Genanalyse bereits die Identität von Osama bin Laden bestätigt haben, bevor US-Präsident Barack Obama die Nachricht vom Tod des Al-Qaida-Chefs bekannt gab. Tatsächlich kann ein solcher Test schon innerhalb von rund drei Stunden sehr exakte Ergebnisse liefern. Aus dem Blut können Experten das Erbmaterial innerhalb von 15 Minuten isolieren. Anschließend wird in der Regel die DNA (Desoxyribonukleinsäure) vermehrt – oft schon innerhalb von zwei Stunden. Danach trennen Experten die DNA-Abschnitte in etwa 30 bis 40 Minuten mittels Elektrophorese auf. Sie analysieren dann mehrere DNA-Regionen auf dem Erbgutstrang, die außerhalb eines Gens liegen. Deren Muster variieren, jeder Mensch hat sein eigenes genetisches Profil.

Oft liegt eine Vergleichsprobe vor, etwa DNA aus Haaren, Sperma, Hautteilen oder Speichel des Menschen, der identifiziert werden soll. Liegt noch kein genetischer Fingerabdruck zum Vergleich vor, können Verwandte analysiert werden: Gene von Eltern und Kindern gleichen sich zu 50 Prozent, woraus sich auch noch ein gutes Ergebnis ermitteln lässt. Schwieriger kann es schon bei Geschwistern werden. Nach CNN-Informationen wurde von bin Laden zudem ein biometrisches Profil erstellt und die Gesichtszüge genau vermessen.

Nach dem Tod bin Ladens sind in den Medien immer mehr Zweifel an der Rolle Pakistans laut geworden: Zwar bestritt der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari, dass die Sicherheitskräfte im Land bin Laden Unterschlupf gewährt hätten. Doch musste er einräumen, dass die Operation am Montagmorgen keine gemeinsame der angeblichen Verbündeten war. Die Regierung in Islamabad wurde von den US-Behörden erst informiert, als bin Laden tot und das US-Kommando mit seinem Hubschrauber in Afghanistan gelandet war – von wo aus es auch gestartet war. Diese Tatsache war ebenfalls bislang anders dargestellt worden. Die US-Behörden erklärten die Geheimhaltung mit Gründen der Sicherheit. Viele Pakistaner reagierten empört: Die Souveränität des Landes sei durch den Alleingang der Amerikaner verletzt worden.

Dass Islamabad nichts von dem Aufenthaltsort bin Ladens gewusst haben will, wird auch in pakistanischen Medien und auf den Straßen diskutiert: „Entweder war es ein Komplettversagen unserer Geheimdienste oder sie steckten in der Sache mit drin“, sagte ein Bewohner von Abbottabad. In einem Beitrag für die „Washington Post“ wies Zardari jegliche Mutmaßungen dieser Art weit von sich. Spekulationen, wonach Pakistan bei der Terrorbekämpfung eher lustlos vorgegangen sei oder den Terroristen sogar Schutz geboten habe, entbehrten jeder Grundlage. „Solch unbegründete Spekulation mag Stoff für spannende Botschaftsdepeschen liefern, gibt aber nicht die Tatsachen wieder“, schrieb Zardari in der ersten offiziellen Stellungnahme des Landes zu den Mutmaßungen.

Mit Material von dpa, dapd, AFP