EZB-Präsident Mario Draghi verteidigt mit kräftigen Worten die Währung. Geld legt er aber noch nicht auf den Tisch. Die Erwartungen sind hoch.

Frankfurt. Er muss wissen, dass die halbe Finanzwelt in diesem Moment an seinen Lippen hängt. Nie waren die Erwartungen an ihn so hoch wie vor diesem Auftritt. Doch Mario Draghi gibt sich entspannt, lächelt breit und scherzt: "Es tut mir leid, dass ich Ihren Urlaub unterbrechen muss." Dann wird der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) ernst, greift nach der vorbereiteten Rede, die es bei jeder seiner monatlichen Pressekonferenzen gibt und die er für gewöhnlich äußerst nüchtern herunterleiert. Doch da zeigt sich, dass es eben doch kein Tag ist wie jeder andere. Dass Politiker, Banker und Investoren Draghis Worte noch im Kopf haben, die EZB werde alles tun, um den Euro zu erhalten. Und dass sie nun wissen wollen, was er konkret damit meint.

Draghi gibt die Antwort diesmal mit viel Pathos. Die hohen Zinsen auf Staatsanleihen einiger Krisenländer seien inakzeptabel, schmettert er in den Saal, dann beugt er sich noch näher an das Mikrofon heran und ruft: "Der Euro ist unumkehrbar." Es sind entschlossene Sätze, die ein Signal an Finanzmarktakteure aussenden sollen, die auf einen Zusammenbruch der Gemeinschaftswährung spekulieren. Und die vielleicht auch deshalb so geharnischt ausfallen, weil Draghi an diesem Tag nicht viel mehr als Rhetorik zu bieten hat, um die Märkte zu beeindrucken. Denn das, worauf viele gehofft haben, liefert er nicht: Die EZB legt keine großen Geldbündel auf den Tisch. Zumindest noch nicht.

Die EZB könne weder die Fiskalpolitik noch die notwendigen Reformen in den Krisenstaaten ersetzen, das betont Draghi mehrfach und entschieden. Deshalb will die Zentralbank auch nicht sofort damit beginnen, Anleihen von Spanien oder Italien aufzukaufen, wie es vor allem die Regierung in Madrid lautstark eingefordert hatte. "Der erste Schritt muss ein Hilfsantrag dieser Regierungen beim Rettungsfonds EFSF sein", betonte Draghi. Und diese Hilfen des Fonds müssten mit Reformauflagen verbunden sein. Dies sei eine "notwendige Bedingung" für eine Intervention der EZB. Und selbst für diesen Fall wollte Draghi nichts versprechen, schließlich sei die Notenbank unabhängig und zu nichts verpflichtet.

Genau eine Woche zuvor hatte Draghi den Satz formuliert, der seither die europäische Politik und die Finanzmärkte in Daueraufregung hielt. "Innerhalb unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten", sagte Draghi, und das ausgerechnet auf einer Investorenkonferenz in London, wo viele Investoren und Ökonomen an der Zukunft der Gemeinschaftswährung zweifeln. "Und glauben Sie mir, das wird reichen", ergänzte er. Für die Finanzprofis war das Signal klar: Draghi plant den ganz großen Wurf. Und zwar mithilfe des umstrittensten Instruments im Werkzeugkasten der EZB: einem Aufkauf von Staatsanleihen der Krisenländer, und zwar möglichst in großem Stil. Draghi selbst gab den Spekulationen zusätzliche Nahrung: Sollten hohe Risikoaufschläge für Staatsanleihen die "Funktion der geldpolitischen Transmissionskanäle stören, fällt das in unser Mandat". Mit dieser Begründung hatte die Zentralbank schon in den Jahren 2010 und 2011 Staatsanleihen gekauft, ihr Bestand beläuft sich derzeit auf 211 Milliarden Euro. Seit Anfang des Jahres ruhte das umstrittene Programm mit dem Kürzel SMP allerdings.

+++ Leitartikel: Euro am Wendepunkt +++

In Notenbankkreisen war allerdings schon zuvor gewarnt worden, die Märkte sollten keine zu großen Hoffnungen in einen sofortigen Neustart des SDP-Programms setzen. Zwar gehört dem Vernehmen nach nur eine Minderheit des 23-köpfigen EZB-Rats zu den Fundamentalkritikern, die wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann Anleihenkäufe grundsätzlich ablehnen. "Aber eines ist klar: Die EZB wird hier nicht vorangehen", betonten mehrere Notenbanker schon vor der Ratsitzung. Zunächst sei die Politik in der Pflicht - wenn sie eine Lösung anbiete, könne die Zentralbank mit ihren prinzipiell unbegrenzten Ressourcen dazu beitragen, dass dieser Weg Erfolg hat.

Dass diese Unterstützung der Notenbank tatsächlich käme, sofern die Regierungen denn ihrerseits Hilfsprogramme auf den Weg bringen, daran ließ Draghi denn auch wenig Zweifel. Und in diesem Fall würden die EZB-Maßnahmen auch das nötige Volumen haben, um ihr Ziel zu erreichen, versprach Draghi. Der Auftrag, entsprechende Maßnahmen auszuarbeiten, sei den entsprechenden EZB-Gremien einstimmig erteilt worden - mit einer Ausnahme: "Die Vorbehalte der Bundesbank sind ja bekannt", sagte Draghi, und auch danach kokettierte er noch mehrfach mit dem einen Abweichler im 23-köpfigen Zentralbankrat. Es war der nächste Hieb in der Fehde zwischen ihm und Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Als einziger Zentralbankchef hatte dieser sich nach Draghis Rede zur Rettung des Euro zu Wort gemeldet und über einen Sprecher auf die Gefahren von Anleihenkäufen hingewiesen. Nun stellte ihn Draghi seinen Kritiker als vollkommen isoliert dar. Allerdings dürfte der Frontverlauf im Rat in den kommenden Wochen stark davon abhängen, wie die Hilfsmaßnahmen konkret aussehen sollen. Eine reine Verstärkung politischer Hilfen mag mehrheitsfähig sein, aber gegen Anleihenkäufe ohne jede Bedingung hätten dem Vernehmen nach auch zahlreiche andere Ratsmitglieder große Bedenken. Gegner wie Weidmann argumentieren, dass damit der Reformdruck von den Krisenländern genommen und eine Gemeinschaftshaftung der Euro-Länder durch die Hintertür eingeführt werde. Der EU-Vertrag verbietet zudem Staatsfinanzierung mit der Notenpresse.

Fragen, ob nicht auch schon seine Pläne das Mandat der EZB überschreiten könnten, wischte Draghi mit einem Achselzucken beiseite: "Die Antwort ist Nein", sagte er unwirsch. Man werde die Entwicklung aber im Blick behalten, hängt er nach einer Pause noch an: "Die EZB bleibt der Wächter der Preisstabilität." Offenbar hält der Italiener es für nötig, das noch einmal zu betonen. Denn ansonsten hat er heute vor allem in einer anderen Rolle gesprochen: der des Euro-Retters.