In einer konzertierten Aktion weist der Westen syrische Diplomaten aus. Kofi Annan sprach mit Assad und forderte ihn zum Frieden auf.

Amman/Washington. Der Westen versucht nun ein neues Mittel, um Syriens Regierung zur Vernunft zu bringen. Das Massaker in Hula hat das Verlangen nach drastischeren Maßnahmen erhöht. Mehrere westliche Staaten haben bereits die syrischen Diplomaten ausgewiesen, nun hat auch die US-Regierung den führenden Diplomaten des Landes zur Ausreise aufgefordert. Der Geschäftsträger der syrischen Botschaft in Washington habe 72 Stunden Zeit, das Land zu verlassen, teilte das US-Außenministerium am Dienstag mit. Die USA machten Syrien für die Tötung von Unschuldigen verantwortlich, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Victoria Nuland. Vor den USA hatten am Dienstag bereits mehrere andere Staaten – unter ihnen auch Deutschland – die Ausweisung syrischer Diplomaten angekündigt.

Mit dem konzertierten Beschluss, die diplomatischen Beziehungen angesichts der anhaltenden Gewalt drastisch herunterzufahren, zogen die Regierungen in Berlin, Washington, Paris, Rom, Madrid, London und anderen Hauptstädten die Konsequenz aus dem gewaltsamen Tod von 108 Zivilisten. Der UN-Sonderbeauftragte Kofi Annan äußerte derweil am Dienstag in einem persönlichen Gespräch mit Präsident Baschar al-Assad seine tiefe Besorgnis über die anhaltende Gewalt in Syrien und forderte ihn nachdrücklich zur Umsetzung des Friedensplans auf.

Das Massaker in der syrischen Kleinstadt hatte weltweit für Entsetzen gesorgt. Was genau passierte, war nach wie vor unklar. „Es sieht so aus, als ob ganze Familien in ihren Häusern erschossen wurden“, sagte ein Sprecher des UN-Büros für Menschenrechte in Genf. Überlebende hätten Ermittlern der Vereinten Nationen berichtet, die meisten der 108 Opfer seien von regierungstreuen Milizionären erschossen worden. Weniger als 20 seien durch Artillerie- und Panzerbeschuss zu Tode gekommen. Bei knapp der Hälfte der Toten handele es sich um Kinder. Möglicherweise seien sogar noch mehr Menschen getötet worden. Entsprechende Berichte lägen vor.

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Wer in Hula und anderswo in Syrien „unter Missachtung von Resolutionen des Sicherheitsrates schwere Waffen gegen das eigene Volk einsetzt, muss mit ernsten diplomatischen und politischen Konsequenzen rechnen“, begründete Bundesaußenminister Guido Westerwelle die abgesprochene Ausweisungsaktion. Er forderte Assad zum Amtsverzicht auf. „Syrien hat unter Assad keine Zukunft. Er muss den Weg für einen friedlichen Wandel in Syrien frei machen.“

Im Auswärtigen Amt wurde dem syrischen Botschafter in Berlin mitgeteilt, dass er Deutschland innerhalb von 72 Stunden verlassen müsse. Westerwelle sagte, dies sei in enger Abstimmung mit den USA und anderen westlichen Partnern geschehen. Auch Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, die Niederlande, Australien und Kanada kündigten die Ausweisung syrischer Top-Diplomaten an.

Der französische Außenminister Laurent Fabius forderte ebenfalls den Rücktritt des syrischen Machthabers. „Baschar al-Assad ist der Mörder seines Volkes“, sagte Fabius der Zeitung „Le Monde“. Je eher der Staatschef gehe, desto besser sei es. Eine Bodenoffensive schloss Fabius vorerst aus. „Die syrische Armee ist schlagkräftig. Kein Staat ist bereit, eine Bodenoffensive zum jetzigen Zeitpunkt zu erwägen.“

Die Regierung in Damaskus hatte am Montagabend bestritten, irgendetwas mit dem Massaker in Hula zu tun zu haben, bei dem Ende voriger Woche 108 Männer, Frauen und zahlreiche Kinder getötet worden waren. Die Regierungstruppen hätten in der Region auch keine schweren Waffen stationiert. In dem Gespräch mit Annan verwies Assad laut einem Bericht des staatlichen syrischen Fernsehens einmal mehr auf „terroristische Gruppen“, die im gesamten Land mittlerweile häufiger töteten und auch mehr Menschen entführten. Die syrische Führung erklärt seit Monaten, Terroristen schürten die Gewalt.

Der internationale Syrien-Sonderbeauftragte Annan forderte von Assad in Damaskus mutige Schritte zur Beendigung der Gewalt. Ansonsten werde sein Friedensplan keinen Erfolg haben, sagte der frühere UN-Generalsekretär nach Angaben eines Sprechers. Obwohl eine friedliche Lösung des Syrien-Konflikts nach dem Massaker in Hula mehr als fraglich zu sein scheint, ist die vorherrschende Meinung immer noch, dass der UN-Friedensplan die derzeit einzige Hoffnung für Syrien ist.

Annans Plan für eine Waffenruhe war bereits vor sechs Wochen in Kraft getreten, die Gewalt hält aber an. In Syrien tobt seit etwa 14 Monaten ein Aufstand gegen die Regierung, bei dem mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen sind. (dapd/rtr)