Israels Präsident Schimon Peres sieht die Weltgemeinschaft in der Pflicht, die iranischen Atombestrebungen notfalls auch militärisch zu stoppen.

Hamburg/Tel Aviv. Das Regime im Iran sei radikal, aber nicht "völlig meschugge". So zitierte der polnisch-amerikanische Politologe Zbigniew Brzezinski beim Besuch der Körber-Stiftung in Bergedorf den israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak. Selbst wenn die Iraner eine Atombombe hätten, glaube der Minister nicht, dass sie diese in ihrer Nachbarschaft abwerfen würden. Barak hatte diesen Satz im Februar gesagt.

Mittlerweile hört man auch andere Einschätzungen aus Israel: "Ein militärischer Schlag ist derzeit wahrscheinlicher als eine diplomatische Lösung", sagte Präsident Schimon Peres der Zeitung "Israel Hajom". Im Fernsehen warnte der sonst so moderate Staatschef, Iran könne schon in sechs Monaten eine Atombombe haben. Die Weltgemeinschaft sei nun gegenüber Israel in der Pflicht, die iranischen Atombestrebungen notfalls auch militärisch zu stoppen. "In der noch verbleibenden Zeit müssen wir die anderen Staaten der Welt zum Handeln drängen und ihnen sagen, dass es nun Zeit ist, die uns gegebenen Versprechen einzulösen, ihre Pflicht entweder durch harsche Sanktionen oder durch militärisches Handeln zu erfüllen", sagte der 88 Jahre alte Friedensnobelpreisträger.

+++ Iran wehrt sich gegen Atomwaffen-Vorwürfe der IAEA +++

Seit Tagen debattiert Israel heftig über einen Militärschlag gegen das Atomprogramm des Iran. Hintergrund sind mögliche brisante Neuigkeiten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Ab Mitte der Woche wird mit der Veröffentlichung eines Berichts zum Iran gerechnet. Israel erwartet klare Beweise für seine Annahme, dass Teheran unter Hochdruck an der Entwicklung einer Atombombe arbeitet. Der Iran soll nach Medienberichten ein Computermodell eines Atomsprengkopfes gebaut haben. Zudem gebe es Satellitenaufnahmen eines Stahlkörpers, in dem hochexplosiver Sprengstoff zur Zündung von Atombomben getestet werden könne. Diplomaten warnen, dies als letzten Beweis dafür zu werten, dass der Iran an Atomraketen bastelt. Das Regime in Teheran selbst weist alle Vorwürfe zurück.

Doch Israel und der Westen vermuten seit Langem, dass Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms auch Atombomben entwickelt. Aus Sicht Israels drängt nun die Zeit - und die Regierung scheint zu handeln: Vergangene Woche testete Israels Armee erfolgreich eine Rakete des Typs Jericho-3, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden und bis in den Iran fliegen kann.

Sowohl Verteidigungsminister Barak als auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu arbeiten laut Medienberichten daran, das Kabinett von einem Angriff gegen den Iran zu überzeugen. Bislang galt die Anwesenheit von US-Truppen im Irak als ein Hindernis für militärische Aktionen, weil diese zur Zielscheibe von Vergeltungsschlägen werden könnten. Mit dem Abzug der US-Soldaten bis Jahresende wäre diese Hürde aus dem Weg.

Doch die Folgen eines Angriffs Israels auf den Iran sind kaum absehbar - und tragen hohe Risiken. Der Iran hätte Mittel für eine asymmetrische Vergeltung durch die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon, warnt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz. Gleichzeitig forderte der CDU-Politiker die Weltgemeinschaft zum Handeln auf: "Die internationale Staatengemeinschaft muss ihre Politik im Lichte des Berichts der Atombehörde neu ausrichten. Dazu gehören auch schärfere Sanktionen gegen das Regime Ahmadinedschad", sagte Polenz dem Abendblatt. Doch Sanktionen allein seien keine Lösung. Der Westen müsse dem Iran einen Ausweg aus seiner Situation lassen, wenn dieser seine Nuklearpolitik ändere. "Wir brauchen einen Dialog zwischen den USA und dem Iran", forderte der CDU-Politiker Polenz.

Die IAEA kontrolliert bisher nur das öffentlich betriebene Programm des Iran in Natans und Fordow. Doch auch Hans Rühle, Experte für die Proliferation von Atomtechnologie und Atomwaffen, sieht in einem Beitrag für "Die Welt" Hinweise für ein iranisches Geheimprogramm zum Bau von Nuklearwaffen - betrieben von den Militärs und den Revolutionsgarden. Genährt werde diese Vermutung durch die dauerhaft widersprüchlichen Aussagen der iranischen Führung über die Nutzung von P-2-Zentrifugen und in der Weigerung der Regierung, bestimmte vom Militär betriebene Anlagen wenigstens den Kontrolleuren der IAEA zu öffnen. Mit P-2-Zentrifugen lässt sich Uran viermal effizienter anreichern als mit den bislang eingesetzten Zentrifugen - und hoch angereichertes Uran wird für den Bau von Atomwaffen benötigt.

Erst 2006 gab Ahmadinedschad zu, iranische Wissenschaftler hätten begonnen, mit P-2-Zentrifugen zu experimentieren. "Das war nicht nur völlig unglaubwürdig, es gab auch geheimdienstliche Erkenntnisse mit gegensätzlichen Aussagen", schreibt Rühle, der von 1982 bis 1988 Leiter des Planungsstabes im Verteidigungsministerium war. Der israelische Geheimdienst hätte schon in den 90er-Jahren festgestellt, dass es geheime Verbindungen zwischen Pakistan und dem iranischen Militär gab. So könnte der pakistanische Atomschmuggler A. Q. Khan auch libysche Zentrifugen aus dem Bestand des ehemaligen Diktators Muammar al-Gaddafi an den Iran geliefert haben könnte. Die Rede ist vor allem von einer an Libyen adressierten Schiffsladung, die 2003 auf dem Weg von Malaysia nach Dubai spurlos verschwand. Zwischen 1985 und 2002 hatte Khan nachweisbar drei Kunden mit Zentrifugen zur Urananreicherung versorgt - darunter auch den Iran.