Den Spiegel-Bericht bezeichnet der Geheimdienst als “freie Erfindung“. Wissen und Weitergabe des Verstecks wären problematisch.

Tripolis/Kairo/Brüssel. Es ist eine schwierige Angelegenheit: Wie der "Spiegel" berichtet, soll der BND gewusst haben, wo Gaddafis Versteck ist. Wenn er es auch nicht direkt so weitergegeben hat, könnte doch in Zusammenhang damit stehen, dass die Nato herausfand, wo sich der Machthaber befindet. Der BND bestreitet dies vehement, gibt an, er habe nicht gewusst, dass sich Gaddafi am besagten Tag in Sirt aufgehalten habe. BND-Sprecher Dieter Arndt sagte: „Die Geschichte ist eine freie Erfindung.“ Die eine Erklärung dafür könnte sein, dass es stimmt, der BND tatsächlich nichts wusste und die falsche Information richtig stellen wollte. Die andere könnte sein, dass den BND eine solche Verwicklunmg nicht zugeben will, da es sich um einen Krieg handelt, aus dem Deutschland sich explizit heraushalten wollte. "Falls der Geheimdienst tatsächlich zum Bombardement auf den Gaddafi-Konvoi beigetragen hat, war es nicht das erste Mal, dass sich der BND in einen Krieg einmischt, an dem Deutschland offiziell nicht beteiligt ist", schreibt der Spiegel. Dazu käme dann auch noch, dass der Angriff auf den Konvoi selbst, sowie die genauen Todesumstände Gaddafis höchst undurchschaubar sind. Mit dieser Aktion hätte der BND somit auch indirekt zu tun gehabt.

Libyen indes will mit der Ära Gaddafi so schnell wie möglich abschließen. Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, will mit einem Tag Verspätung in Bengasi die vollständige Befreiung seines Landes verkünden. Zuvor wurde noch der Streit um die Leiche des Ex-Diktators beigelegt. Auch Libyens Nachbarland Algerien zieht einen Schlussstrich und weist Gaddafis zweite Ehefrau Safija sowie weitere Familienangehörige aus. Die Nato beschloss am Freitagabend das Ende ihres sieben Monate langen Militäreinsatzes in Libyen zum 31. Oktober.

Der bizarre Streit um den Leichnam des am Donnerstag getöteten Ex-Diktators scheint, ein Ende zu nehmen. Ursprünglich wollte der Nationalrat die Leiche an einem geheim gehaltenen Ort beisetzen, damit kein Wallfahrtsort entsteht. Dann forderte aber der Stamm Gaddafis die Herausgabe der Leichen des ehemaligen Machthabers sowie dessen Sohn Mutassim. Nun sollen beide Leichen an Angehörige übergeben werden. „Seine Familie kann entscheiden, wo und wann sie ihn begraben will“, sagte Ahmed Dschibril, ein Sprecher des Nationalrates am Samstagabend dem britischen Sender BBC. Nach islamischer Tradition werden Tote normalerweise binnen 24 Stunden beigesetzt.

Auch Libyens Nachbarland Algerien will einen Schlussstrich unter die Gaddafi-Ära ziehen. Wie die algerische Tageszeitung „Schoruk“ berichtete, hat die Regierung eine Ausweisung von Gaddafis zweiter Ehefrau Safija sowie von Tochter Aischa und mehreren Familienmitglieder angeordnet. Allerdings würden letzte Einzelheiten noch mit einem nicht näher bezeichneten Golfstaat geklärt. Safija war Ende August gemeinsam mit der Tochter Aischa, dem Sohn Hannibal sowie Mohammed, einem Sohn aus Gaddafis erster Ehe, nach Algerien geflüchtet. Zu dem Tross gehörten auch weitere Angehörige; insgesamt mehr als 30 Personen.

Die neue Zeitrechnung soll in Libyen jetzt mit einem Tag Verspätung am Sonntagnachmittag 15.00 Uhr (MESZ) beginnen. Der Chef des Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, will eine feierliche Erklärung zur vollständigen Befreiung des Landes auf dem Hauptplatz in Bengasi abgeben. Nach der Feier soll binnen 30 Tagen eine provisorische Regierung gebildet werden. Diese solle dann bis Juni 2012 Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung vorbereiten, kündigte Dschalil an. Dieses Gremium wiederum soll eine Verfassung ausarbeiten, auf deren Grundlage dann innerhalb eines Jahres ein Parlament und ein Präsident gewählt werden.

Für Aufsehen sorgte zwei Tage nach dem Tod Gaddafis die Nachricht, dass der Ex-Diktator angeblich ein Vermögen in Höhe von mehr als 200 Milliarden Dollar (144 Milliarden Euro) beiseite geschafft hat. Dies sei doppelt soviel, wie westliche Regierungen bisher angenommen hätten, meldete die „Washington Post“ am Samstag unter Berufung auf hochrangige libysche Offizielle. Der Umfang der angehäuften Besitztümer in allen Teilen der Welt in Form von Bargeld, Bankkonten, Immobilien, Goldreserven und Investments sei unfassbar.

Nach dem blutigen Ende Muammar al-Gaddafis beschloss die Nato das Aus ihres Libyen-Einsatzes zum Monatsende. Diese Entscheidung sei vorläufig, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Freitagabend nach einer Sondersitzung des Nato-Rates in Brüssel. Eine endgültige Entscheidung solle Anfang der kommenden Woche fallen, fügte er hinzu.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, verurteilte die weltweite Verbreitung von Fotos und Videos des toten Gaddafi als „moralisch inakzeptabel“. Den Milizionären sei es hier weniger um den „Beweis“ für Gaddafis Ende gegangen als vielmehr um das „sensationalistische Zurschaustellen“, sagte der oberste deutsche Katholik dem Nachrichtenmagazin „Focus“.

Zuvor war bereits dem britischen Fernsehsender BBC Kritik für seine Berichterstattung über den Tod Gaddafis entgegengeschlagen. 200 Fernsehzuschauer hätten sich beschwert, weil die BBC immer wieder ein Handy-Video ausstrahlte, das die letzten Sekunden des Despoten zeigen soll. Mary Hockaday, Chefin des BBC-Newsrooms, erklärte, die Bilder seien zweifellos schockierend gewesen. Es sei aber „ein wichtiger Teil der Story“ gewesen. Der Autor und Fernsehmoderator Mark Lawson schrieb dagegen auf der Website des „Guardian“: „Auch Tyrannen haben ein Recht auf Privatsphäre zum Zeitpunkt ihres Todes.“ (dpa)