Erst nach langem Kampf zwangen die Engländer Schottland ins Königreich. Die Historie wirkt bis heute nach. Besonders der Name eines Ortes ist ein Schreckenswort in der schottischen Geschichte.

Glasgow. Die Frage, ob Schottland sich von Großbritannien unabhängig machen soll oder nicht, spaltet die Gesellschaft – und auch die Generationen. Junge Schotten sind mehrheitlich für eine Loslösung von Großbritannien, die Älteren, vor allem die über 60-Jährigen, fürchten dagegen die Folgen, die ein Ja beim Referendum auf ihre Renten, Ersparnisse und auf das Gesundheitssystem Schottlands haben könnte.

Das Zittern um den Ausgang entzweit ganze Familien. Befürworter und Gegner der Unabhängigkeit forderten ihre Unterstützer auf, ihre Angehörigen auf den letzten Metern doch noch umzustimmen. Die Jungen sollen ihre Eltern und Großeltern besuchen, um ihnen die Vorzüge einer Abspaltung von Großbritannien zu erklären. Das Nein-Lager wiederum forderte insbesondere Rentner auf, ihre Kinder und Enkel mit ihrer Lebensweisheit zur Vernunft zu bringen.

„Ich war so stolz auf meinen Opa, als er mir erzählte, dass er mit Ja stimmen würde, dass ich in Tränen ausbrach“, sagt die 23 Jahre alte Miriam Brett, die Wahlkampf für die Separatisten macht. „Ein Ja-Votum bedeutet so viel für unsere Generation. Wir wollen alle unsere Großeltern wissen lassen, dass ihre Zukunft sicher in unseren Händen ist, und mit einem Ja können wir eine bessere Zukunft für uns und unsere Kinder schaffen.“

Einigen Umfragen zufolge ist lediglich in der Altersgruppe der über 60-Jährigen eine Mehrheit für den Verbleib bei Großbritannien. Es wird damit gerechnet, dass bis zu 63 Prozent der älteren Schotten mit „Nein“ stimmen. Da ältere Menschen eher dazu tendieren, auch tatsächlich zur Wahl zu gehen, geht es für die Befürworter deshalb auch darum, möglichst viele Jüngere zu mobilisieren.

Und das Interesse ist riesig. 4.285.323 Schotten und damit 97 Prozent aller Wahlberechtigten haben sich für die Volksabstimmung registrieren lassen, Beobachter erwarten eine Beteiligung von möglicherweise mehr als 85 Prozent. Bei der jüngsten schottischen Parlamentswahl 2011 gaben dagegen nur knapp über 50 Prozent ihre Stimme ab, bei der britischen Parlamentswahl 2010 waren es 63,8 Prozent.

Unter den Wahlberechtigten sind auch 124.000 16- und 17-Jährige, die erstmals wählen gehen dürfen. Viele von ihnen werden dem Ja-Lager zugerechnet und geraten darüber auch schon mal in Streit mit Eltern und Großeltern. Umfragen zufolge sind bis zu 40 Prozent der Familien in der Unabhängigkeitsfrage gespalten. Mindestens 20 Prozent geben an, dass es deswegen sogar schon zu hitzigen Familiendiskussionen gekommen ist.

„Mein Vater spricht nicht mehr mit mir, seit ich ihm gesagt habe, dass ich mit Ja stimmen werde“, sagt die 21 Jahre alte Studentin Laura Brown. „Er hat mich sogar als Freundin bei Facebook blockiert.“

Das Lager der Unabhängigkeitsgegner hofft darauf, dass die Erfahrung des Alters sich durchsetzt. „Schottlands eine Million Rentner sollten ihr Stimmrecht und ihre Stimme nützen, um ihre Kinder und Enkel daran zu erinnern, wie die nationale Gesundheitsvorsorge und die Renten durch die Kraft der Zusammenarbeit gesichert wurden“, sagte der frühere Premierminister Gordon Brown, einer der prominentesten Sprecher der „Better Together“-Kampagne. Brown ist Schotte, sein Werben gilt daher als glaubwürdiger als die Versprechungen des konservativen Regierungschefs David Cameron.

Gordon Browns Ansichten werden von vielen älteren Wählern geteilt. „Die haben nicht lange genug gelebt, um zu sehen, was wir gesehen haben“, sagt die 68 Jahre alte pensionierte Büroangestellte Liz Mullen.„Viele junge Leute denken, dass die Unabhängigkeit eine Art Wunderheilmittel sein wird. Sie denken, dass es eine Art Abenteuer ist, ohne Risiken. Aber das hier ist kein Videospiel.“

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