Edinburgh. Wenn die schottische Fußballnationalelf zum Heimspiel antritt, ist meist das Ergebnis schlecht und die Stimmung der Fans gut. Besonders dann, wenn zeitgleich die Engländer verloren haben. Die schottischen Fußballfans gelten zwar als besonders friedlich und freundlich, haben aber einen Erzfeind: England. Am 18. September steht Schottland vor der Frage, ob die Trennung, die im Sport längst vollzogen ist, auf das ganze Land übertragen wird. „Soll Schottland ein unabhängiges Land werden?“, lautet die Frage, über die 4,2 Millionen Wahlberechtigte abstimmen.

Unabhängig heißt: Losgelöst vom Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, in dem die Schotten im Jahr 1707 aufgegangen sind. Mit anderen Worten: Am 18. September könnte das Vereinigte Königreich auseinanderfliegen.

„Der Rest Großbritanniens würde geschockt sein, sollte aber nicht überrascht sein, wenn es einen knappen Sieg gibt“, sagt der TV-Kommentator Paul Mason. Der mehr als 300 Jahre währende Bund mit England und Nordirland könnte nach dem Wahlgang dahin sein. Die Meinungsforscher sehen die Befürworter der Unabhängigkeit um Ministerpräsident Alex Salmond zwar weiter im Hintertreffen – doch sie holen auf. „Die Unabhängigkeit Schottlands ist jetzt eine realistische Alternative“, sagt Peter Kellner, Chef des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Und der britische Ministerpräsident David gab zu: „Ich bin nervös.“

Nach dem Wahlsieg von Salmonds Unabhängigkeitspartei SNP 2011 hatte London die Möglichkeit einer Abspaltung Schottlands noch überhaupt nicht ernst genommen. Dabei wären die Folgen für den Rest Großbritanniens schwerwiegend bis verheerend. London würden die Steuereinnahmen aus der Erdölindustrie wegbrechen, und allein die schottischen Whisky-Brennereien zahlen jährlich eine Milliarde Pfund in die Londoner Steuerkasse ein. Der Bau eines neuen Hafens für die in Schottland stationierten und mit Atomsprengköpfen bestückten britischen U-Boote würde Milliarden verschlingen.

Der Wahlkampf wird auch mit Prominenten geführt: Mick Jagger, Paul McCartney und Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling werben für den Zusammenhalt Großbritanniens, Schauspieler Sean Connery oder Tennis-Star Andy Murray werben für die Unabhängigkeit. YouGov-Chef Kellner vermutet, dass die Debatte bei einer Niederlage der Unabhängigkeitsbewegung nicht abebben wird. „Wenn das Ergebnis in der Nähe unserer Umfrageergebnisse liegt, würde ich nicht viel Geld darauf wetten, dass es in den nächsten zehn bis 15 Jahren kein zweites Referendum gibt“, sagt der Meinungsforscher.