Auch der Whistleblower Edward Snowden ist ab sofort auf Moskauer Kost angewiesen. In der Ostukraine wurde wieder ein Kampfjet abgeschossen – nahe der Absturzstelle von MH 17.

Moskau/Berlin/Oslo. Von der Lachs-Farm in Norwegen bis zur Düsseldorfer Panzer-Schmiede: Die Ukraine-Krise und das Einfuhrverbot von Lebensmitteln und anderen Waren nach Russland hat tiefgreifende Auswirkungen auf Europas Wirtschaft. Doch Moskau gibt sich stur – und schafft mit der Verlängerung des Asyls für den Whistleblower Edward Snowden sogar einen diplomatischen Coup nach der Katastrophe rund um den mutmaßlichen Abschuss von MH 17 über der Ostukraine.

Am Nachmittag wurde bekannt: Im Rebellengebiet im Osten der Ukraine ist ein Kampfjet abgeschossen worden. Wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete, stürzte das Flugzeug auf einem Feld ab, nachdem es offenbar explodiert war. Der Pilot wurde mit einem Fallschirm gesichtet. Der Abschuss ereignete sich etwa 40 Kilometer östlich der Rebellenhochburg Donezk nahe der Stelle, an der ein malaysisches Passagierflugzeug Mitte Juli abgestürzt war.

An der Börse in Oslo sind die Aktien von Lachszuchtfirmen gefallen. Der Kurs der Aktie von Marine Harvest etwa, größter Lachsproduzent der Welt, fiel bis Donnerstagmittag um mehr als elf Prozent. Auch die Kurse von Norway Royal Salmon, Salmar, Leroey Seafood und The Scottish Salmon Company fielen. Norwegischer Lachs gilt als recht teuer, sodass beispielsweise deutsche Kreuzfahrtschiffe ausreichend Lachs bunkern, ehe sie gen Norden aufbrechen. Die Russen jedoch lieben den Fisch aus Skandinavien und zahlen hohe Preise dafür.

Russland hatte im vergangenen Jahr für 6,5 Milliarden Kronen (776 Millionen Euro) Lachs, Forelle, Hering und Makrele aus Norwegen eingekauft. Marine Harvest exportierte 2013 rund fünf Prozent seiner gesamten Produktion nach Russland.

Russland hat ein „komplettes“ Embargo für Rind-, Schweine-, und Geflügelfleisch, Fisch, Käse, Milch, Gemüse und Obst aus der EU und den USA sowie aus Norwegen, Kanada und Australien verhängt. Moskau begründete dies mit den Sanktionen des Westens gegen Russland wegen dessen Haltung im Ukraine-Konflikt. Das Embargo soll für ein Jahr gelten.

Auch deutsche Unternehmen und Landwirte müssen mit Einbußen rechnen. In welchem Ausmaß, ist allerdings noch unklar. Von den Sanktionen seien deutsche Exporteure massiv betroffen, teilte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) mit. Dagegen rechnet der Bauernverband mit überschaubaren Auswirkungen.

Die EU kritisierte das Vorgehen von Präsident Wladimir Putin. „Das Verbot untergräbt das Ansehen Russlands als zuverlässiger Partner“, sagte ein EU-Sprecher in Moskau. Bei der Kommission in Brüssel hieß es, die EU behalte sich eine Antwort vor. 2013 exportierte die EU nach eigenen Angaben allein Obst und Gemüse im Wert von 11,9 Milliarden Euro nach Russland. Nach Angaben des Moskauer Analysten Dmitri Polewoj betrifft der Einfuhrstopp etwa ein Zehntel der russischen Agrarimporte.

Deutsche Produzenten jammern – Russen auch

Das größte Land der Erde gilt als gigantischer Markt, ist für westliche Lebensmittelhersteller aber nun dicht. Dies könne die deutsche Wirtschaft empfindlich schmerzen, so der Exportverband BGA. Denn insbesondere für hochwertig verarbeitete Lebensmittel sei Russland wichtiger Abnehmer. Leidtragende seien auch die russischen Verbraucher. Sie müssten wohl die Zeche in Form höherer Preise, schlechterer Qualität und geringerer Vielfalt bezahlen, meinte der Verband.

Gegen die Ukraine erließ die russische Regierung ein Überflugverbot. Ukrainische Airlines können nun nicht mehr auf dem kürzesten Weg zum Beispiel in die Türkei oder in den Südkaukasus fliegen. „Ich schließe nicht aus, dass dieses Verbot auf West-Gesellschaften ausgeweitet werden könnte“, sagte Ministerpräsident Dmitri Medwedew.

Düsseldorfer Rüstungsfirma erwägt Schadenersatz-Forderung

Unterdessen dauerten in der Ostukraine die erbitterten Gefechte zwischen Armee und Aufständischen an. In der Separatistenhochburg Donezk wurden mindestens drei Zivilisten getötet und fünf verletzt. Im benachbarten Lugansk waren weiter Hunderttausende Einwohner ohne Strom. Die Lage sei „katastrophal“, teilten die Behörden mit. Vor Lastwagen zur Brotverteilung bildeten sich lange Schlangen. Seit Beginn der „Anti-Terror-Operation“ der Armee im April seien allein im Gebiet Lugansk rund 1500 Menschen ums Leben gekommen, sagte Bürgermeisterin Irina Werigina. Die Opferzahlen gelten aber nicht als gesichert.

Nach dem Aus für ein millionenschweres Rüstungsgeschäft mit Russland erwägt die Düsseldorfer Firma Rheinmetall Schadenersatzforderungen. Das Unternehmen geht davon aus, dass der Widerruf der Genehmigung für die Ausfuhr eines Gefechtsübungszentrums „bereits im laufenden Geschäftsjahr zu finanziellen Belastungen führt“. Die Prognose für das operative Ergebnis in dem entsprechenden Unternehmensbereich wurde daher um 20 Millionen Euro nach unten korrigiert.

„Rheinmetall arbeitet jedoch intensiv daran, auch unter Ausnutzung aller zur Verfügungen stehender rechtlichen Möglichkeiten die finanziellen Belastungen so gering wie möglich zu halten“, hieß es in der Mitteilung zu den Halbjahreszahlen.

Grüne: Snowden muss jetzt als Zeuge in Deutschland aussagen

Unterdessen sehen die Grünen in der verlängerten Aufenthaltsgenehmigung für den früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in Russland „eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung und die westlichen Demokratien insgesamt“. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte die Bundesregierung auf, „jetzt endlich das Rückgrat zu haben und Edward Snowden einen sicheren Aufenthalt zu gewähren“.

Sie bekräftigte zudem die Forderung der Grünen, dass der aus den USA geflohene ehemalige US-Geheimdienstler vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Spähaffäre als Zeuge aussagen müsse.

Die russischen Behörden hatten Snowden nach Angaben von dessen Anwalt zuvor eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Der 31-Jährige darf sich demnach frei im Land bewegen und auch ins Ausland reisen. Snowden hatte vor einem Jahr mit seinen Enthüllungen die Affäre um die Abhöraktionen des US-Geheimdienstes NSA ausgelöst. Dennoch war kein anderes Land bereit, ihm Asyl zu gewähren. Auch die Bundesregierung lehnte es trotz ihrer Empörung über die US-Überwachungsprogramme ab, Snowden Zuflucht zu gewähren.