Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte dem russischen Präsidenten ins Gewissen reden. Doch Putin stoppt Lebensmittel-Importe, obwohl die Russen darauf angewiesen sind.

Moskau. Als Reaktion auf die westlichen Sanktionen hat der russische Präsident Wladimir Putin Einfuhrverbote für Agrarprodukte angeordnet. In einem Erlass Putins wies der Präsident die zuständigen Regierungsbehörden an, Importe aus Ländern, die wegen des Ukraine-Konflikts Sanktionen gegen Russland verhängt hatten, für bis zu ein Jahr „zu verbieten oder zu begrenzen“.

Gestoppt würden alle Agrarimporte aus den USA und vermutlich auch das gesamte aus der EU eingeführte Obst und Gemüse, sagte Alexej Alkexeenko von der russischen Gesundheitsaufsichtsbehörde der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. „Alle Produkte, die dort (in den USA) produziert wurden und nach Russland gebracht werden, werden verboten“, sagte er. Ein vollständige Liste, die auch Details zur EU enthalte, werde erst am Donnerstag veröffentlicht.

Derweil hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat an Putin appelliert, die Separatisten in der Ostukraine zu einem beiderseitigen Waffenstillstand mit Kiew zu drängen. Sie zeigte sich besorgt, dass von Russland aus Nachschub für die Separatisten in den Donbass geliefert werde, wie Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Mittwochabend mitteilte.

Zugleich begrüßte Merkel in dem Telefonat mit Putin das Treffen der Kontaktgruppe aus Vertretern der OSZE, Russlands und der Ukraine mit Vertretern der Separatisten in der vergangenen Woche in Minsk. Übergeordnetes Ziel bleibe die Stabilisierung der Ukraine. Diese müsse selbst über die Gestaltung ihrer Zukunft entscheiden können, sagte Merkel nach Angaben der Sprecherin.

Dem Kreml zufolge fand das Gespräch auf Initiative der Bundesregierung statt. Russland betonte darin erneut die zunehmend schlechte humanitäre Lage in der Ostukraine.

Zu den Importverboten hieß es in Russland, die Einfuhrbeschränkungen hätten „das Ziel, die Sicherheit der Russischen Föderation zu garantieren“. Zudem wurden die Behörden aufgefordert, möglichen schnellen Preissteigerungen entgegenzuwirken.

Lebensmittel-Importe sind für die Russen lebensnotwendig

Russland und vor allem die großen Städte sind zu einem wesentlichen Teil auf importierte Lebensmittel angewiesen – die meisten davon aus dem Westen. Agrarimporte aus den USA machen pro Jahr rund eine Milliarde Dollar aus. Die EU führte 2013 landwirtschaftliche Produkte im Wert von 11,8 Milliarden Euro nach Russland aus.

Vergangene Woche hatten die Europäische Union und die USA wegen der Verwicklung Moskaus in den Konflikt in der Ostukraine erstmals ganze russische Wirtschaftssektoren mit Sanktionen belegt. Sie trafen den russischen Energie-, Finanz- und Waffensektor. Die EU schränkte unter anderem den Zugang russischer Banken zu europäischen Finanzmärkten ein und verhängte ein Waffenembargo.

Wird der Luftraum für westliche Jets geschlossen?

Der Westen wirft Russland vor, nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim auch im mehrheitlich russischsprachigen Osten der Ukraine die Rebellion prorussischer Separatisten mit Waffen und Ausbildung zu unterstützen. In den vergangenen Monaten hatten EU und USA deshalb bereits Kontensperrungen und Reiseverbote gegen Russen und Ukrainer verhängt, unter ihnen auch enge Vertraute Putins.

Russlands Reaktion ließ darauf schließen, dass Moskau im Ukraine-Konflikt nicht nachgeben will. Medienberichte, wonach der Kreml auch seinen Luftraum für europäische Fluggesellschaften auf dem Weg nach Asien schließen könnte, bezeichnete Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch als Gerüchte, die er nicht kommentieren wolle. Er sagte aber: „Unsere westlichen Partner sollten an ihre Unternehmen und Bürger denken“.

Experten fürchten Einmarsch in Ostukraine

Immer lauter werden Befürchtungen, russische Truppen könnten in der Ostukraine einmarschieren. Diese Bedrohung sei angesichts der russischen Truppenverstärkungen an der Grenze gewachsen, sagte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel bei einem Treffen mit US-Militärs in Deutschland. „Wenn man die Aufstockung der russischen Truppen, die Erfahrenheit dieser Truppen, die Ausbildung dieser Truppen sieht, und das schwere militärische Gerät, das entlang der Grenze aufgestellt wird, dann ist das natürlich eine Realität.“ Die USA und die Nato gehen davon aus, dass mittlerweile rund 20.000 Soldaten an der Grenze stationiert sind.