Bundesaußenminister schaltet sich verbal in den Konflikt zwischen Syrien und Israel ein. Auch an den Iran richtet Westerwelle einen Appell.

Berlin/Istanbul/Genf. Angesichts der neuen Spannungen zwischen Israel und Syrien hat Außenminister Guido Westerwelle vor einem Flächenbrand im gesamten Nahen Osten gewarnt. Nach einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Freitag in Berlin rief der FDP-Politiker alle Seiten zur „Deeskalation“ auf. „Ein Flächenbrand muss unbedingt verhindert werden.“ Zum umstrittenen Angriff der israelischen Luftwaffe wollten sich weder Westerwelle noch Ashton näher äußern. Bislang sei noch nicht klar, was tatsächlich passiert sei. Syrien hat Israel wegen des Luftangriffs mit Vergeltung gedroht.

Syrien und der Iran machen Israel für einen Luftangriff auf ein militärisches Forschungszentrum bei Damaskus verantwortlich. Dabei sollen zwei Menschen getötet und fünf weitere verletzt worden sein. Aus westlichen Sicherheitskreisen hieß es jedoch, der Angriff habe einem Konvoi mit Flugabwehrraketen für die israelfeindliche Hisbollah-Miliz im Südlibanon gegolten. Möglicherweise gab es auch zwei Angriffe.

Die israelische Führung schwieg auch am Freitag zu den Vorwürfen. Zur Politik der Abschreckung Israels gehört, Angriffe im Ausland weder zu bestätigen noch zu dementieren, um den Gegner im Unklaren zu lassen.

Im Streit um das iranische Atomprogramm appellierten Westerwelle und Ashton an die Führung in Teheran, die Chance zu Gesprächen endlich zu nutzen. Zur Ankündigung von US-Vizepräsident Joe Biden, auch zu direkten Gesprächen bereit zu sein, sagte der Außenminister: „Die Botschaft zu direkten Gesprächen, das ist eine ausgestreckte Hand. Ich werde darauf drängen, dass die ausgestreckte Hand nicht ausgeschlagen wird.“ Ashton rief die iranische Führung ebenfalls auf, die Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen.

Der Iran steht im Verdacht, unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms an der Atombombe zu arbeiten. Der Atomstreit ist auch Thema der internationalen Sicherheitskonferenz, die am Wochenende in München stattfindet. Am Rande der Konferenz ist auch eine Begegnung zwischen Westerwelle und dem iranischen Außenminister Ali Akbar Salehi geplant. Für Ashton stand am Mittag in Berlin noch ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Programm.

Bericht: Angriff traf auch Russen und Iraner

Unterdessen hat die israelische Armee seine Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Der Geheimdienst habe mehrere israelische Botschaften weltweit angewiesen, die ohnehin schon sehr strengen Sicherheitsregeln weiter zu verschärfen, berichtete die Zeitung „Jediot Achronot“ am Freitag. Inoffiziellen Angaben zufolge befanden sich auch Teile des Militärs in erhöhter Alarmbereitschaft.

Auch an der Grenze zu Ägypten verstärkten die Israelis nach Angaben von Augenzeugen ihre Kontrollen. Ein Sprecher des israelischen Militärs sagte auf Anfrage, zu solchen Vorgängen würden generell keine Angaben gemacht.

Ein Angehöriger der Sicherheitskräfte auf der Sinai-Halbinsel erklärte auf Anfrage, die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen auf der israelischen Seite der Grenze seien vielleicht eine Vorsichtsmaßnahme. Es sei nicht auszuschließen, dass „Widerständler oder Dschihadisten“ die jüngsten israelischen Luftangriffe in Syrien zum Anlass für Operationen gegen Israel nehmen könnten.

Nach Informationen der irakischen Zeitung „Al-Zaman“ galt der israelische Schlag einem wichtigen Militärstützpunkt in der Nähe von Damaskus. Die Zeitung, die ihren Sitz in London hat, schrieb am Freitag auf ihrer Website unter Berufung auf westliche Diplomaten, auf dem Stützpunkt hätten sich auch russische Militärberater und Angehörige einer iranischen Spezialeinheit aufgehalten.

Mehrere arabische Medien wollen zudem erfahren haben, dass bei dem Angriff sowohl ein Gebäude auf dem Stützpunkt in Dschamraja getroffen wurde als auch ein mit Waffen beladener Konvoi, der im Begriff war, das Gelände zu verlassen. Das würde erklären, weshalb die syrische Armee von der Bombardierung eines Militärstützpunktes sprach, während in anderen Berichten von einem Angriff auf einen Konvoi mit Raketen die Rede war.

UN: Medizinische Versorgung vor Kollaps

Derweil steht in Syrien die medizinische Versorgung der Bürgerkriegsopfer vor dem Kollaps. In den meisten Krankenhäusern Syriens seien Betäubungsmittel, Antibiotika und Mittel zur Behandlung von Wunden und Schussverletzungen aufgebraucht, teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitag in Genf mit.

Auch die Apotheken könnten die bedürftigen Menschen kaum noch mit Arzneimitteln wie Anti-Schmerztabletten versorgen, hieß es. Die anhaltenden Kämpfe in vielen Regionen und Städten Syriens machten die Lieferung von medizinischem Nachschub für Krankenhäuser, Gesundheitsstationen und Apotheken unmöglich, erklärte die UN-Organisation.

Zudem wird den Angaben zufolge vielerorts sauberes Wasser immer knapper, Abfälle werden nicht mehr entsorgt. Die katastrophalen hygienischen Verhältnisse bildeten den Nährboden für Infektionskrankheiten wie Hepatitis.

Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR teilte unterdessen mit, dass ein Konvoi mit Zelten, Decken und anderen Gütern zum ersten Mal die Region Azzas im Norden Syriens erreicht habe. Dort harrten Tausende Flüchtlinge in behelfsmäßigen Verschlägen unter erbärmlichen Umständen aus. Die Menschen würden nun in UNHCR-Zelten untergebracht.

Syriens Präsident Baschar al-Assad versucht einen vor knapp zwei Jahren ausgebrochenen Volksaufstand mit Waffengewalt zu ersticken. Bei den Kämpfen zwischen Assad-Truppen und Rebellen kamen mehr als 60.000 Menschen ums Leben. Millionen Menschen in Syrien sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, rund 730.000 Männer, Frauen und Kinder flüchteten in die Nachbarländer.