Machthaber Kim Jong-un will das bitterarme Land zum Wirtschaftsgiganten machen - und Frieden mit Südkorea schaffen.

Hamburg. Zuletzt hatte der junge nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un, seit dem 29. Dezember 2011 Nachfolger seines verstorbenen Vaters Kim Jong-il, keine gute Presse gehabt. Aus dem abgeschotteten asiatischen Elendsreich war von einer blutigen Machtkonsolidierung des jungen Thronerben berichtet worden. Kim Jong-un, so hieß es, habe eine ganze Reihe von Generälen gefeuert und einige sogar hinrichten lassen, die ihm als unsichere Kantonisten galten.

Am Neujahrstag jedoch wartete der Enkel von Staatsgründer Kim Il-sung mit einer faustdicken Überraschung auf: In der ersten Neujahrsansprache eines nordkoreanischen Machthabers seit 19 Jahren schwor Kim sein Volk auf eine "radikale Kehrtwende" ein und streckte Friedensfühler nach Südkorea aus - die Konfrontation solle beendet werden.

"Lasst uns einen wirtschaftlichen Giganten schaffen", rief Kim seinen Landsleuten zu. Wie dies zu bewerkstelligen sein soll, sagte er allerdings nicht. Die nordkoreanischen Machthaber haben das Land mit der national-kommunistischen "Juche"-Ideologie sowie einer gigantischen Aufrüstung völlig zugrunde gerichtet. Die Wirtschaft des Landes sei "in keinem guten Zustand", der Lebensstandard "ausbaufähig", räumte Kim öffentlich ein.

Das ist eine groteske Untertreibung: Nordkoreas gesamtes Bruttoinlandsprodukt beträgt gerade einmal 26,7 Milliarden Dollar, das Südkoreas 1,1 Billionen Dollar. Und während die Nordkoreaner pro Kopf im Jahr 2011 nur 1152 Dollar erwirtschafteten, waren es beim südlichen Nachbarn knapp 22.800 Dollar. In vergangenen Hungerwintern sind Millionen Nordkoreaner ums Leben gekommen. Widerstand wird gnadenlos niedergeschlagen; Hunderttausende sitzen in Straf- und Umerziehungslagern ein, die mit unvorstellbarer Brutalität betrieben werden.

Wie ernst es Kim Jong-un ist, bleibt unklar. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten hatten Nordkoreas Diktatoren immer wieder Friedensbotschaften ausgesandt, um Nahrungsmittel- und Energiehilfen Südkoreas und des Westens zu erhalten. Doch parallel dazu betrieb Pjöngjang eine militärische Hochrüstung, die auch die Entwicklung von Nuklearwaffen umfasst. Auch in seiner Neujahrsansprache kündigte Kim Jong-un an, die Aufrüstung Nordkoreas weiter vorantreiben zu wollen. Am 12. Dezember hatte das Regime die Welt mit dem Start einer Satelliten-Rakete aufgeschreckt. Man vermutet, dass diese Raketen mit Atomsprengköpfen bestückt werden sollen. Ein derartiges Arsenal könnte Nordkorea in die Lage versetzen, Unterstützung von seinen Nachbarn zu erpressen.

Korea ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geteilt; seit dem Korea-Krieg 1950 bis 1953 sind Nord- und Südkoreaner erbitterte Feinde. Das kommunistische Nordkorea ist international weitgehend isoliert. Die designierte südkoreanische Staatspräsidentin Park Geun-hye hat ihre Bereitschaft bekundet, sich mit Kim Jong-un zu treffen - jedoch als Belohnung für einen Verzicht auf Nordkoreas Atomprogramm.