Diplomatische Bemühungen zur Beilegung des Gazakonflikts laufen auf Hochtouren. Staatengemeinschaft fürchtet Flächenbrand.

Berlin. Seit Monaten schon geht die Angst um unter Diplomaten, die Angst vor einem Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten. Da ist zum einen der Bürgerkrieg in Syrien mitsamt seinen Auswirkungen auf die Nachbarstaaten Türkei, Jordanien, Libanon und Irak. Da ist zum anderen das nach der Atombombe strebende Mullah-Regime weiter östlich im Iran.

Und da ist nun auch noch der sich zuspitzende Konflikt zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen. "Die Lage ist brandgefährlich", sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gestern bei einem Treffen der EU-Chef-Diplomaten in Brüssel. "Der ganzen Region droht die Eskalation." Die internationale Diplomatie hat deshalb auf Krisenmodus geschaltet. Es wird konferiert, telefoniert, jeder spricht mit jedem und versucht Einfluss auf die Konfliktparteien auszuüben. Die wichtigste Vermittlerrolle kommt dabei Ägyptens Präsident Mohammed Mursi zu. Einerseits ist der Moslembruder der Hamas freundschaftlich verbunden, andererseits hat Ägypten einen gültigen Friedensvertrag mit Israel.

Aus Gaza und Jerusalem wurden deshalb Unterhändler nach Kairo entsandt, Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon traf ebenso in der ägyptischen Hauptstadt ein wie zuvor schon der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und der Emir von Katar. "Die Drähte glühen überall", sagte Westerwelle. "Die gesamte Staatengemeinschaft arbeitet koordiniert und mit allen Kräften daran, die Gewalt zu stoppen. Jedes Opfer ist eines zu viel."

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits am Wochenende mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu telefoniert hatte, reiste Westerwelle persönlich nach Jerusalem. Dort traf er am Abend zunächst den israelischen Außenminister Avigdor Lieberman. Für heute sind Gespräche mit Ministerpräsident Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geplant.

Westerwelles Ziel: "an den Voraussetzungen für einen Waffenstillstand zu arbeiten." Die wichtigste Voraussetzung dafür: ",ein Ende der Raketenangriffe von Gaza in Richtung Südisrael." Besonders in der Pflicht sieht auch der Außenminister die Ägypter, denn: "Wenn ein Waffenstillstand auf Dauer tragen soll, dann muss Ägypten den Waffenschmuggel nach Gaza unterbinden." Vor seiner Vermittlermission in Israel machte Westerwelle allerdings noch Station in Brüssel. Gemeinsam mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) nahm der FDP-Politiker am Rat der europäischen Außen- und Verteidigungsminister teil. Auch dort stand die Gazakrise im Mittelpunkt, auch dort wurden die Konfliktparteien zur Mäßigung aufgerufen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte bereits vor dem Treffen erklärt: "Die Raketenangriffe der Hamas und anderer Gruppen im Gazastreifen, mit denen die derzeitige Krise begann, sind für keine Regierung hinnehmbar und müssen aufhören." Israel habe "das Recht, seine Bevölkerung vor dieser Art von Angriffen zu schützen". Es müsse aber sicherstellen, "dass seine Antwort verhältnismäßig ist".

In der Nahost-Region gingen derweil die Bemühungen um einen Waffenstillstand weiter. Wie die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete, haben Premier Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Ehud Barak und Außenminister Avigdor Lieberman bis um vier Uhr früh am Montagmorgen ägyptische Vorschläge für einen Waffenstillstand diskutiert. Am Ende hat dieses kleine Sicherheitskabinett demnach entschieden, den internationalen Vermittlungsbemühungen mehr Zeit zu geben.

Aber auch die Möglichkeit einer Bodenoffensive ist nicht gänzlich vom Tisch. "Haaretz" zitiert einen ungenannten israelischen Offiziellen mit der Aussage "die Lage ist 50:50 zwischen einem Waffenstillstand und einer Ausweitung der Operationen. Wenn es keine Wahl gibt, dann werden wir nach Gaza gehen. Es gibt keine andere Lösung." Von ägyptischer Seite zeigte man sich vorsichtig optimistisch, eine Waffenruhe erreichen zu können. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte einen ägyptischen Offiziellen wiederum mit den Worten: "Wir versuchen Übereinstimmung zu erzielen, um einen Waffenstillstand zu erreichen und auch Garantien dafür zu bekommen." Auch der ägyptische Premierminister Hischam Kandil verbreitete Hoffnung auf einen Kompromiss: "Ich glaube, wir sind nahe dran. Aber es liegt in der Natur solcher Art von Verhandlungen, dass ihr Ausgang schwer vorherzusagen ist." Der Vorsitzende des Politbüros der Hamas, Khaled Maschaal, sagte bei einer von arabischen Fernsehsendern übertragenen Pressekonferenz in Kairo, es sei nicht die Hamas, die nach einem Waffenstillstand rufe, sondern Israel. Deshalb müsse Israel auch den Krieg beenden, den es begonnen habe. Maschaal brüstete sich auch, dass die Hamas Israel mit ihren militärischen Fähigkeiten und Waffen überrascht habe.

Aus dem Büro Netanjahus hieß es daraufhin, dass man Hamas sehr hart getroffen habe. "Hamas steht unter großem Druck und das Resultat ist, dass sie viele Dinge sagen, die in keinster Weise mit der Realität verknüpft sind", zitiert die "Jerusalem Post" einen Offiziellen aus dem Umfeld Netanjahus.

Ungeachtet der internationalen Vermittlungsbemühungen gingen die Kämpfe aber weiter. Die Hamas schoss weiter Raketen auf den Süden Israels und traf etwa eine Schule in Aschkelon. Die israelische Luftwaffe flog weiter Einsätze auf Ziele in Gaza. Dabei wurden etwa drei Kämpfer des Islamischen Dschihad getötet, die sich bei einem Medienzentrum verschanzt hatten. Auch der Medienkrieg zwischen beiden Seiten dauerte an. Auffallend ist, dass Hamas immer wieder dabei ertappt wird, drastische Bilder von getöteten oder verletzten Kindern in die sozialen Netzwerke zu stellen, die sich dann als Aufnahmen aus dem anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien entpuppen. Viele dieser Fälschungen werden von Israels Armee entlarvt, die auf ihrem Blog auch Videos bereitstellt, die zeigen, wie Extremisten mitten aus Wohngebieten heraus operieren und Waffenlager neben Schulen und Moscheen eingerichtet haben.

Israels Armee musste gestern ihrerseits eingestehen, sich bei der Zerstörung eines Wohnhauses in Gaza geirrt zu haben. Am Sonntag waren neun palästinensische Zivilisten dabei getötet worden. Eigentlich galt der Raketenangriff aber einem ranghohen Hamas-Mitglied.