Noch gleicht die Affäre um die US-Generäle David Petraeus und John Allen eher einer Seifenoper. Was ist den Beteiligten vorzuwerfen?

Washington. Es gab Champagner im Überfluss und Kaviar. Der Wagen wurde vor der Tür von Butlern in Empfang genommen und nach der Party wieder vorgefahren. Wenn Jill und Scott Kelley in ihre prächtige Villa am Bayshore Boulevard in Tampa luden, dann atmete die Stadt das Flair von rotem Teppich und Hollywood-Premiere. Dabei waren die Gäste keine Leinwandstars, sondern Offiziere aus bis zu 60 Nationen vom US-geführten Zentralkommando, und ausschweifend gefeiert wurden "Gasparilla Partys", benannt nach dem spanischen Piraten, der an der Schwelle zum 18. Jahrhundert die Westküste Floridas unsicher machte.

Das Problem mit Gasparilla: Niemand weiß, ob der kühne Freibeuter überhaupt je lebte. Die Existenz von Gastgeberin Jill Kelley, die in der Affäre um den Rücktritt von CIA-Chef David Petraeus bekannt wurde, ist zwar unstrittig. Doch auch im Leben der attraktiven Lady ist vieles so undurchsichtig wie in der gesamten Seifenoper um Lametta, Liebe und Leidenschaft. Etliches scheint anders als in Kelleys Selbstdarstellung oder in ihrem Bild in den Medien - im Guten wie im Bösen.

Im Guten: Als sich Jill Kelley am Sonntag von Journalisten vor ihrem Haus belästigt wähnte, wählte sie den Notruf 911. Als Honorarkonsulin genieße sie "Unverletzlichkeit", sagte die mit einem Chirurgen verheiratete Mutter zweier Kinder und erwähnte etwas von "diplomatischem Schutz". Doch der Titel der Honorarkonsulin Südkoreas gewährt keinerlei diplomatischen Status. Daneben führt die 37-Jährige den inoffiziellen Titel einer "Ehrenbotschafterin" der Koalitionskräfte in Afghanistan. Sie sei eine "reiche, gelangweilte Salonlöwin", ist inzwischen zu hören.

Dabei steht selbst die Beschreibung als "reich" infrage. Die Tochter libanesischer Einwanderer hat zusammen mit ihrem Mann mindestens neun Prozesse verloren, in denen es vor allem um Immobilien und Geld ging. Die Villa ist 1,5 Millionen Dollar wert, aber auf einem Bürogebäude, das dem Ehepaar gehört und auf die Zwangsvollstreckung wartet, lasten mehr als zwei Millionen Dollar Schulden. Steuererklärungen weisen Einkünfte von jährlich rund 175 000 Dollar aus. Das ist kaum ausreichend für den aufwendigen Lebensstil der Yachtclub-Mitglieder.

Und im Bösen: Auch hier lassen sich das in den Medien vermittelte Bild und die bisher bekannten Tatsachen kaum in Einklang bringen. Nachdem Petraeus seinen Posten als CIA-Chef aufgegeben hatte wegen seiner Affäre mit seiner Biografin Laura Broadwell, galt die mit ihm befreunde Kelley als mutmaßliche Geliebte zumindest des anderen Vier-Sterne-Generals, John R. Allen. Doch die 20 000 bis 30 000 Seiten E-Mail-Konversation zwischen Allen und Kelley, die vom FBI auf ihrem Computer entdeckt wurden, scheinen das bislang nicht zu bestätigen. Was zunächst als "teilweise unziemlich" bezeichnet wurde, reduziert sich letztlich möglicherweise auf das Kosewort "Sweetheart", mit dem Allen die attraktive Frau mindestens einmal anredete. Das klingt nach "Schatz" oder "Liebling", ist üblicherweise Ehepartnern vorbehalten und verletzt zweifellos die Etikette des sittenstrengen Militärs.

Aber reicht das, um eine Frau dem Verdacht eines außerehelichen Verhältnisses auszusetzen? Bislang kann man Kelley nur vorwerfen, dass sie ungeschützten E-Mail-Verkehr hatte.

Zunächst war Kelley Opfer, als sie von Broadwell anonyme E-Mails erhielt. Darin warf ihr die Petraeus-Geliebte offenkundig vor, Generäle zu verführen. Kelley schaltete das FBI ein, das Broadwell als Absenderin der E-Mails entlarvte und dabei über deren Verhältnis mit dem CIA-Chef stolperte.

Was also ist wem bisher konkret vorzuwerfen? Petraeus hatte eine Affäre, die nicht strafbar ist, aber aus deren Bekanntwerden er die Konsequenz des Rücktritts zog. In der Nacht zum Dienstag filzten FBI-Agenten das Haus der Broadwells in Charlotte (North Carolina) und stellten dort Computer, Festplatten und jede Menge Unterlagen sicher. Dabei soll es sich um eine Art Privatarchiv des Generals gehandelt haben, das er seiner Biografin über sich und über den Afghanistan-Einsatz zur Verfügung stellte. Ob er damit gegen Vorschriften verstieß, wird untersucht. Die nationale Sicherheit gefährdete Petraeus kaum.

Was ist General Allen vorzuwerfen? Er versichert, mit Kelley kein Verhältnis gehabt zu haben. Die Korrespondenz mit der Party-Dame wird nun ausgewertet. Bisher ist nur bekannt, dass Kelley ihm zum Beispiel schrieb, sie habe ihn gerade im Fernsehen gesehen und er sei "toll" gewesen - woraufhin er sich mit jenem "Thanks, Sweetheart" revanchierte.

Broadwell, die von Eifersucht getriebene Petraeus-Geliebte, mag eine Stalkerin sein - aber wirklich "bedrohlich" waren ihre anonymen E-Mails offenkundig nicht. Und sollte sie von Petraeus klassifiziertes Material bekommen haben, scheint sie dieses weder in ihrem Buch noch an anderer Stelle genutzt zu haben.

Petraeus wie Allen gingen gleichwohl mit einer Naivität vor, die sich auf ihrer Hierarchieebene verbieten sollte. So ließen sie sich von den Partys von Jill Kelley offenkundig so weit blenden, dass beide Generäle deren Zwillingsschwester Nathalie in einem Sorgerechtsprozess für deren Sohn mit Briefen ans Gericht unterstützten. Der Richter aber, der starke Zweifel an der psychischen Stabilität der Mutter zu Papier brachte, entschied zugunsten des Vaters.