ISAF-Oberkommandierender Allen schickte „kokette“ Mails an Petraeus-Bekannte – Vergabe des Nato-Kommandos in Europa auf Eis gelegt

Washington. Nach dem Rücktritt des CIA-Direktors David Petraeus gerät nun auch der Oberkommandierende der Schuttztruppe ISAF, John Allen, wegen E-Mails an eine Frau in Bedrängnis. Er soll elektronische Post mit „kokettem“ Inhalt an Jill Kelley geschickt haben, einer Freundin des Ehepaars Petraeus. Aus dem Umfeld des Verteidigungsministeriums verlautete, es würden Tausende Seiten umfassende E-Mails und andere Unterlagen untersucht, die Allens Kommunikation mit Kelley aus den Jahren 2010 bis 2012 beträfen.

Die erste Untersuchung der E-Mails lieferte aber offenbar keine Hinweise auf eine Affäre. Der Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sei weder sexuell freizügig noch verführerisch gewesen, sagte ein Behördenvertreter am Dienstagabend der Nachrichtenagentur AP. Die Ermittler hätten die E-Mails zwischen Allen und Jill Kelley beim Lesen als relativ harmlos eingestuft. Allerdings könnten sie als unprofessionell und kokett interpretiert werden, hieß es weiter.

Die 37-jährige Kelley hatte die Ermittlungen gegen Petraeus ins Rollen gebracht, nachdem sie sich wegen an sie gerichteter mutmaßlicher Drohmails an das FBI gewandt hatte. So kam ans Licht, dass der Direktor des Auslandsgeheimdienstes eine uneheliche Affäre mit seiner Biografin, Paula Broadwell, unterhielt. Petraeus trat daraufhin vergangen Woche zurück.

NATO-Kommando in Europa auf Eis gelegt

US-Stabschef Martin Dempsey empfahl US-Verteidigungsminister Leon Panetta, dass Allen vorerst auf seinem Posten bleiben solle. Allerdings legte US-Präsident Barack Obama Allens Nominierung zum Oberkommandierenden der US-Streitkräfte und Nato-Truppen in Europa vorerst auf Eis, teilte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Tommy Vietor, mit. General Allen hatte Petraeus im Juli 2011 in dessen Amt als Oberkommandierender in Afghanistan abgelöst.

Die Affäre um Petraeus und Allen begann damit, dass Kelley Berichten zufolge Drohmails von Petraeus' Ex-Geliebter und Biografin Broadwell erhalten hatte. Sie kontaktierte demnach das FBI, das seinerseits Ermittlungen anstrengte und die Affäre aufdeckte. Kelley arbeitet als ehrenamtliche Vertrauensperson auf dem Luftwaffenstützpunkt MacDill in Florida, auf dem auch das US-Zentralkommando und das Kommando der US-Spezialkräfte ihren Sitz haben. Sie steht nicht in Diensten der US-Regierung.

Skandal im Rückblick: Die Rekonstruktion der Petraeus-Affäre

CIA-Chef und Kriegsheld David Petraeus gilt als untadelig, bis er über eine Affäre stolpert. Im Rückblick rekonstruieren US-Medien wie die „New York Times“ und die „Washington Post“ nun immer detaillierter die Ereignisse der vergangenen Monate. Öffentliche Stellungnahmen sind dagegen rar. Eine Chronologie nach Medienberichten:

Mai 2012: FBI-Agenten durchleuchten Petraeus' private E-Mail-Konten auf Sicherheitsaspekte. Anlass ist angeblich eine Bitte der 37-jährigen Jill Kelley, die anonyme Droh-Mails erhielt. Ihr würde unterstellt, sie mache Petraeus schöne Augen. Als das FBI nach dem Absender forscht, stößt es laut US-Medienberichten auf intime Mails, die Petraeus seiner Biografin Paula Broadwell geschickt haben soll.

Ende Oktober: Das FBI vernimmt nach Medienberichten Biografin Broadwell. Die 40-Jährige soll die Affäre zugegeben und auch freiwillig ihren Computer mit geheimen Dokumenten herausgegeben haben. Auch Petraeus sei vom FBI befragt worden. Auch er soll die Affäre eingeräumt haben. Beide sollen jedoch glaubhaft verneint haben, dass Petraeus seiner Geliebten geheime Dokumente gab. Die Affäre soll von November 2011 bis Sommer 2012 gedauert haben.

6. November: Das US-Justizministerium informiert nach Medienberichten am Abend des Wahltags den nationalen Geheimdienstdirektor James Clapper über Petraeus' Affäre. Clapper soll Petraeus daraufhin den Rücktritt nahegelegt haben. Petraeus wollte seinen Posten angeblich gern behalten.

7. November: Obama wird nach Medienberichten erst einen Tag nach seiner Wiederwahl über die Affäre informiert. Petraeus galt zuvor als aussichtsreicher Kandidat für ein Ministeramt.

8. November 2011: Petraeus reicht nach Medienberichten sein Rücktrittsgesuch bei US-Präsident Barack Obama ein.

9. November 2011: Obama bestätigt den Rücktritt und würdigt öffentlich Petraeus' Verdienste. Gründe für den Schritt nennt Obama nicht. Die Geheimdienst-Expertin der Demokraten, Dianne Feinstein, schließt politische Hintergründe für den Rücktritt aus. Der Streit um fehlerhafte CIA-Informationen zur Ermordung des US-Botschafters in der libyschen Stadt Bengasi am 11. September 2012 habe damit nichts zu tun. Petraeus sollte Mitte November vor einem Kongressausschuss über die Vorkommnisse in Bengasi aussagen.

11. November: Geheimdienst-Experten des Kongresses fordern nach Medienberichten Aufklärung darüber, warum das Weiße Haus erst so spät über die vom FBI aufgedeckte Affäre unterrichtet wurde.

13. November: Nach Medienberichten ermittelt das Pentagon nun gegen den bisherigen Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe Isaf, US-General John Allen. Dieser soll potenziell „unangebrachte“ E-Mails an die Petraeus-Familienfreundin Kelley geschickt haben. Allen soll das bestritten haben. Er ist für das Amt des Nato-Oberkommandierenden in Europa vorgesehen. Seine Nominierung soll bis zur Klärung der Vorwürfe verschoben werden.